Der größte Superheld der 80er kehrt zurück auf die Leinwand – und nein, es ist weder Superman noch Batman. Es ist nicht Spider-Man und ganz sicher nicht Iron Man. Es ist der Held aus Tromaville, der atomare Rächer: The Toxic Avenger.
Mit „The Toxic Avenger“ wagt sich Regisseur Macon Blair an einen Stoff, der seit den 80ern Kultstatus unter Trash-Fans besitzt. Damals war es der dreckige, billige, unterhaltsame Wahnsinn von Troma, der eine Figur mit Wischmopp und giftigen Schlägen zum Helden einer ganzen Trash-Generation machte. Das Remake steht nun vor der schwierigen Aufgabe, den kultigen Charme modernen Konventionen anzupassen. Doch kann das funktionieren? Kann ein Film wie „The Toxic Avenger“ im Hier und Jetzt überhaupt noch bestehen?
Innerhalb weniger Tage habe ich sowohl das Original von 1984 als auch das Remake gesehen und möchte nun sowohl den Vergleich ziehen, als auch meine Meinung zur Neuauflage schildern.
Ein Beitrag von: Martin K.
Worum geht es in „The Toxic Avenger“?
Winston Gooze (Peter Dinklage) arbeitet als Reinigungskraft im größten Pharma-Unternehmen BTH. Mit seinem Stiefsohn lebt er in einer kleinen Wohnung und versucht, sowohl seine Beziehung zu ihm aufrechtzuerhalten als auch sein Leben in den Griff zu bekommen. Eine verheerende ärztliche Diagnose löst eine Kettenreaktion aus, die dazu führt, dass Winston in einem Pool voller Giftabfälle landet. Doch statt zu sterben, wird er deformiert – und erhält übermenschliche Kräfte sowie einen radioaktiven Wischmopp.
Als Toxic Avenger legt er sich fortan nicht nur mit allerlei Kleinganoven an und wird zum Helden der Stadt. Auch der korrupte Unternehmer Bob Garbinger (Kevin Bacon), Chef von BTH, wird auf ihn aufmerksam. Bald kreuzen sich ihre Wege – und Toxie hinterlässt einen blutigen Pfad der Zerstörung, während er versucht, die Stadt und vor allem seinen Sohn zu retten.
Die Wurzeln des Toxic Avengers – eine kurze Geschichte der Troma-Filme

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Das Original „The Toxic Avenger“, bei uns als „Atomic Hero“ (1984) vertrieben, wurde von Lloyd Kaufman inszeniert. Dieser gründete zehn Jahre zuvor Troma Entertainment, welches sich in den folgenden Jahren zu einem wahren El Dorado für Fans des Trash-Kinos entwickeln sollte. Troma wurde zu einem Synonym für kleine Low-Budget-Komödien und Sexploitation-Filme. Sie wurden zum Symbol für eine Gegenbewegung zum polierten Hollywood-Kino.
Dreckig, billig und grotesk waren die Filme des Studios und mit „Atomic Hero“ gelang ihnen schlussendlich der Durchbruch im Trash-Bereich. Filme wie dieser erreichten Kultstatus und so tat es auch das Studio an sich. Filme wie „Class of Nuke ‚Em High“ (1986) oder „Tromeo und Julia“ (1996) gelten unter Fans als Klassiker und so hielt sich das Troma-Studio bis in die Gegenwart und wurde zu einem der wichtigsten Independent-Filmstudios Amerikas.
Mit dem billigen Look, dem DIY-Ethos und der anarchischen Herangehensweise beeinflusste Troma viele Filmemacher, darunter auch James Gunn oder Trey Parker und Matt Stone.
Lloyd Kaufman gilt bis heute als Gesicht Tromas und repräsentiert das Kultlabel weiterhin.
Zurück in die Gegenwart – Unterschiede zwischen Original und Remake

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Troma stand immer für eine einzigartige Art des Filmemachens. Handgemachte Effekte, absurde Geschichten, oft mit einem satirischen Unterton und übertriebene Gewalt. Chaotisch, dreckig und völlig unberechenbar sind Merkmale, die Fans an den alten Troma-Filmen schätzen, die sich jedoch nur schwer in die heutige Zeit der Hochglanz-Produktionen übertragen lassen. So wirkt auch „The Toxic Avenger“ trotz seiner bizarren Ausgangslage und den Splatter-Effekten sehr sauber und professionell produziert. Der Look ist clean und beugt sich deutlich mehr modernen Genrestandards. Wo früher der wilde Wahnsinn dominierte, herrscht nun ein konzipierter und fast schon zu aufgeräumter Ton.
Das lässt sich vor allem an der Handlung selbst festmachen. War diese im Original noch mehr eine wilde Abfolge kruder Szenen, gibt es im Remake den klaren Fokus auf zwei Handlungselemente. Da wäre zum einen die Vater-Sohn-Beziehung zwischen Peter Dinklage und Jacob Trembley, die einen großen Teil einnimmt und versucht, dem ganzen eine emotionale Tiefe zu verleihen.
Zum anderen ist da noch die Geschichte um BTH, dem Chemie-Unternehmen und Kevin Bacon. Dadurch versucht man Dringlichkeit und Antrieb in die Actionhandlung zu bringen.
Natürlich bringt man auch anarchischen Humor und eine Prise Chaos mithinein, das alles aber kalkulierter.
Der Toxic Avenger in unserer Zeit

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Und da stellt sich auch die Frage: kann ein Film wie „Atomic Hero“ aus den 80ern heute noch funktionieren bzw. kann man einen Film auf diese Art noch inszenieren? Trash lebt häufig von Provokationen, von Grenzüberschreitungen und Geschmacklosigkeiten. Und wo sich Troma in den 80er noch auf genau diese Elemente verlassen konnte, muss man heutzutage in Zeiten wo Political Correctness großgeschrieben wird und alles mit Argusaugen betrachtet wird, andere Wege gehen.
So ist „The Toxic Avenger“ nach wie vor blutig, ja auch ein bisschen grotesk, echte Tabubrüche vermeidet man jedoch. Er wirkt einerseits zugänglicher, andererseits aber auch harmloser.
Gerade wer Troma für seine kompromisslose Respektlosigkeit schätzt, wird hier merken, dass ein Teil des alten Gifts neutralisiert wurde.
Und das dürfte wohl das größte Problem von Fans des alten Tromas sein. Anstatt derber, chaotischer Eskalation setzt der Film auf klassische Dramaturgie und gibt seinen Figuren emotionale Hintergründe. Das sorgt dafür, dass der Geschichte der Trash-Biss fehlt, er aber als Film als solches fast schon besser funktioniert.
Statt einer Aneinanderreihung ständiger Eskalation gibt es längere Erzählbögen, die aber auch das Tempo drosseln.
Splatter deluxe, aber ohne Gift im Tank

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Doch will ich hier nicht nur im Vergleich Original vs. Remake hängen bleiben, sondern den Film auch als solches bewerten. Denn ich hatte doch recht viel Spaß mit „The Toxic Avenger“ und er bietet einige unterhaltsame Momente.
Die handgemachten Splattereffekte sind kreativ und sorgen für die besten Szenen – wenn nicht gerade unnötiges CGI den Eindruck schmälert. Für den ein oder anderen Schmunzler sorgten die herausgerissenen Arme oder die eingeschlagenen Köpfe aber dennoch.
Peter Dinklage liefert eine gute Performance und bringt eine emotionale Note ein, die für den Stoff fast zu ernst wirkt. So nimmt die Beziehung zwischen ihm und Jacob Trembley etwas zu viel Raum ein. In jeden anderen Film wäre es eine wunderschöne Vater-Sohn-Geschichte und das ist es auch hier, wirkt jedoch an manchen Stellen zu emotional für das Umfeld, in dem es stattfindet.
Kevin Bacon hingegen hat sichtbar Spaß an seiner Rolle und dieser überträgt sich auch auf den Zuschauer. Er liefert eine herrlich überdrehte Performance ab, während Elijah Wood mit seiner Rolle des Igor-artigen Bruders die Bizarrerie hochhält.
Die weiteren Figuren gehen da fast schon unter. Einzig Taylour Paige bekommt noch etwas mehr Spielraum, den sie auch ganz gut nutzen kann.
Tausche Cape gegen Wischmopp

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Betrachtet man „The Toxic Avenger“ noch einmal losgelöst vom Erbe des Originals, dann zeigt sich ein Film, der seinen Platz irgendwo zwischen moderner Superhelden-Parodie und Splatter-Satire sucht. Macon Blair inszeniert das Ganze erstaunlich geradlinig, fast schon klassisch erzählt. Er kombiniert diese Struktur mit überdrehten Splattermomenten und grotesken Figuren. Das wirkt einerseits zwar sehr gewollt, sorgt aber für einen interessanten Kontrast. Auf der einen Seite die klare Dramaturgie, die an typische Superhelden-Origins-Geschichten erinnert. Auf der anderen Seite Momente, in denen Körperteile fliegen oder eine mutierte Gestalt Männer im Vogelkostüm durch den Park jagt. In diesen Szenen funktioniert der Film eigenständig und beweist, dass er durchaus auch abseits des Vergleichs bestehen kann.
Gleichzeitig sorgt aber genau diese unklare Stellungnahme dafür, dass der Film zwischen den Stühlen stehen bleibt. Für einen ernstzunehmenden Superheldenfilm zu grotesk und bizarr, für ein aberwitziges Trash-Fest zu brav und glattgebügelt. Er schöpft weder auf der einen noch der anderen Seite sein volles Potential aus.
Trash-Fans, Nostalgiker oder Mainstream – für wen schlägt das giftige Herz?
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Bleibt noch die entscheidende Frage: Wer soll hier angesprochen werden?
Für Fans des Originals ist der Film ein zweischneidiges Schwert. Einerseits gibt es deutliche Verweise und Anspielungen, ja Lloyd Kaufman selbst hat einen netten Cameo-Auftritt. Einige hangemachte Effekte und ein paar herrlich absurde Momente erinnern an die Troma-Wurzeln. Andererseits fehlt genau der dreckige, anarchische Wahnsinn, der den Kultstatus des Films einst begründete. Wer das Original liebt, wird zwar Nostalgie entdecken, aber auch vieles zu glatt und zu harmlos finden.
Moderne Trash-Fans kommen eher auf ihre Kosten. Sie erhalten einen Film, der übertrieben, blutig und überdreht ist, ohne völlig ins Chaos abzudriften. Ein Film, der mit einem ordentlichen Augenzwinkern inszeniert ist, ohne sich selbst ins Lächerliche zu lenken und der zugänglichen Trash bietet. Ein gefälliger Mittelweg, der Spaß macht, solange man nicht auf totale Grenzüberschreitungen besteht.
Und der Mainstream? So bizarr es klingt, der wird hier vielleicht am meisten abgeholt. Bekannte Gesichter, eine saubere Inszenierung und eine klare Dramaturgie. Für ein Publikum, das vielleicht noch nie von Troma gehört hat, aber angeödet von vielen Superheldenfilmen ist, könnte dies eine passende Alternative darstellen. Sie dürften sich an Darstellern wie Peter Dinklage und Kevin Bacon erfreuen, aber auch von den skurrilen Momenten erheitert werden.
Doch genau darin steckt die Ambivalent: „The Toxic Avenger“ will ein Giftfass sein, ist aber am Ende eher bunter Cocktail.
Fazit zu „The Toxic Avenger“

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„The Toxic Avenger“ ist für sich genommen ein spaßiger Film, der blutig genug ist, um Genre-Fans bei Laune zu halten. Mit Peter Dinklage und vor allem einem entfesselt aufspielenden Kevin Bacon überzeugt der Cast, und auch die Splatter-Effekte sorgen immer wieder für gelungene Momente. Die Story bietet eine solide Grundlage, greift in den zwischenmenschlichen Elementen aber etwas zu tief – und nimmt dem Film damit ein Stück weit den anarchischen Biss.
Nicht zuletzt deshalb fehlt dem Remake das toxische Erbe von Troma. Zu brav, zu sauber, zu sehr gebändigt. Wer das Original nicht kennt oder wie ich keine große Beziehung dazu hat, dürfte hier dennoch bestens unterhalten werden. Wer jedoch auf den hemmungslosen Irrsinn der 80er hofft, landet eher in einem lauwarmen Bad als in einem kontaminierten Becken.
Trotzdem hatte ich meinen Spaß, musste mehrfach schmunzeln und habe Peter Dinklage gern als atomaren Rächer gesehen. Am Ende ist „The Toxic Avenger“ eine nette, leicht überdrehte Alternative zum Superhelden-Einerlei von Marvel – weniger Konzeptfilm, mehr schräge Randnotiz. Keine Revolution des Genres, kein Wiederaufleben eines Kultstudios, aber solide, blutige Unterhaltung mit verschenkter Angriffslust.
Werdet ihr euch „The Toxic Avenger“ im Kino ansehen?
TRAILER: ©Legendary Entertainment | Troma Entertainment | Capelight Pictures

MARTIN – Autor
Als Kind der 90er und frühen 2000´er entwickelte ich schon früh eine Liebe für das Medium Film. Waren es Anfangs noch die Disney-Klassiker, wie mein erster Kinobesuch „Herkules“, trat schon bald Harry Potter in mein Leben und prägte meine filmische Jugend. Später kamen Franchises wie Star Wars oder das MCU, bevor mich „Interstellar“ dazu brachte, meinen filmischen Horizont mehr und mehr erweitern zu wollen, wodurch ich inzwischen so gut wie alle Arten von Filmen liebe. Über mehrere Umwege führte mich meine filmische Reise zu Letterboxd, wo ich seit 2016 mein Filmtagebuch führe und seit 2020, mal mehr, mal weniger ausführlich auch meine Meinung zu den gesehenen Filmen auf das digitale Papier bringe. Lieblingsgenre könnte ich keines benennen, ich bin offen gegenüber allem, auch wenn ich besonders empfänglich für Horror, Action und Sci-Fi zu sein scheine.
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Weitere Meinungen aus der Redaktion zu „The Toxic Avenger“:
„Zum Beispiel auf die super miesen CGI Splatter und Gore Effekte die hier aber zum Charme dazugehören. Genau wie die Maskenarbeit. Immer offensichtlich als solche zu erkennen, aber eben auch gewollt als solche zu erkennen. So kann man fast noch mehr das Herz was dadrin steckt erkennen und es wertschätzen“
– Rick
Pressestimmen zu The Toxic Avenger
Antje Wessels von wessels-filmkritk.com
Das Remake von „The Toxic Avenger“ bleibt in seiner Mischung aus Trash, Splatter und Satire zwar der Tradition Tromas verpflichtet, sucht aber zugleich nach neuen Nuancen – insbesondere durch den starken Fokus auf emotionale Vater-Sohn-Momente. Diese erzählerische Ausweitung wirkt jedoch nicht immer stimmig, da sie den Kern des Franchise, nämlich den absurden und überdrehten Gewaltspaß, oftmals ausbremst.
Frank Arnold von epd-film.de
Die Selbstironie am Anfang, die die nachfolgende Erzählung infrage stellt, verankert den Film in Troma-Country, die Spezialeffekte wirken eher grotesk als schockierend, für eine gewisse Ernsthaftigkeit steht Titeldarsteller Peter Dinklage. Kevin Bacon gibt einmal mehr lustvoll den Bösen, während Ex-Hobbit Elijah Wood sich erneut für eine höchst groteske Figur entschieden hat. So ganz gehen Ernsthaftigkeit und Hommage nicht zusammen, kurzweilige Unterhaltung für Genrefans bietet der Film aber allemal. 3 von 5 Sternen
Natalie Brunner von Radio FM4
Wer Troma kennt, erwartet Chaos, Blut, Punk und Provokation. „The Toxic Avenger“ ist kein echter Troma-Film, aber als Hommage mit Hang zur Groteske funktioniert das. Mich erinnert es allerdings eher an eine lange Folge South Park mit echten Menschen als an die splatterige Punkigkeit des Originals.
Pressematerial: The Toxic Avenger | 2023 ©Legendary Entertainment | Troma Entertainment | Capelight Pictures





