„Kneecap“ aus dem Jahr 2024 erzählt die Entstehungsgeschichte der gleichnamigen Band. Was nun wie ein klassisches Musiker-Biopic anmutet, ist eben dies nicht. Der Film, der international von der Presse mit Lob überhäuft wurde, erzählt eine Geschichte über Identität, Rebellion und die irische Sprache. Warum es so viel Freude bereitet, dem Trio durch wilde Sexszenen, Drogenräusche und kurze Gewaltausbrüche zu folgen, verrate ich euch in meiner Filmkritik.
Ein Beitrag von: Florian
Worum geht es in „Kneecap“?
„Kneecap“ ist ein Film von Rich Peppiatt, der die teilweise fiktionalisierte Entstehungsgeschichte des realen Rap-Trios Kneecap erzählt. Der Film feierte seine Premiere im Januar 2024 beim Sundance Film Festival und wurde Anfang August 2024 in den irischen Kinos veröffentlicht. Irland reichte „Kneecap“ als Beitrag für die Oscarverleihung 2025 in der Kategorie Bester Internationaler Film ein.
Der Film „Kneecap“ erzählt die teils fiktive Entstehungsgeschichte des irischen Rap-Trios Kneecap. Die Mitglieder Mo Chara (Liam Óg Ó hAnnaidh), Móglaí Bap (Naoise Ó Cairealláin) und DJ Próvaí (JJ Ó Dochartaigh) finden zusammen, um in Belfast das Rapper-Trio Kneecap zu gründen und werden zu einer provokanten Stimme der irischen Jugend. Ihre Musik, die sowohl auf Irisch als auch Englisch gesungen wird, thematisiert ihre Unterstützung für den Republikanismus. Der Film beleuchtet ihre Freundschaften, Konflikte und die Entstehung ihrer Band, wobei auch fiktive Elemente aus ihrem Leben einfließen. Die Geschichte begleitet das Trio, das aus den Straßen von Belfast aufsteigt und 2024 als irischer Beitrag für die Oscarverleihung eingereicht wurde.
Die Band Kneecap und die irische Sprache

Auch interessant: Call My Agent! – Serienkritik & Gewinnspiel
2025 könnte in Deutschland das Jahr der Musiker-Biopics werden. Nach „Better Man – Die Robbie Williams Story“ und „Piece by Piece“ war „Kneecap“ alleine im Januar der dritte Film dieser Gattung. Im Februar folgte mit „Like A Complete Unknown“ dann Film Nummer 4. „Kneecap“ unterscheidet sich allerdings schon formal von diesen Filmen. So repräsentiert der Film von Rich Peppiatt schließlich eine Band, die zum einen noch sehr jung und zum anderen international noch nicht sonderlich bekannt ist.
In Nordirland sieht das allerdings ein wenig anders aus. Im Fernsehen war Kneecap eine Zeit lang ein großes Thema, geschmeichelt wurde der Band allerdings wenig. Gegründet wurde die Gruppe im Jahr 2017 und erregt seither durch die einzigartige Musik Aufsehen. Das liegt vor allem an dem Genre. Kneecap produziert Hip-Hop, und zwar auf Irisch, beziehungsweise Gälisch. Das ist untypisch und birgt in Nordirland, welches zu dem Vereinigten Königreich gehört, ein hohes Konfliktpotential. Mit ihren Texten lehnt Kneecap nicht nur die englische Sprache ab, sondern sendet mit einem Song-Titel wie „Get Your Brits Out“ auch ein klares politisches Signal. Das sieht nicht jeder gerne, sowohl auf englisch- als auch auf irisch-sprachiger Seite. Ein Konflikt, den auch der Film in den Vordergrund stellt.
Keine klassische Aufstieg-und-Fall-Geschichte, sondern pure Rebellion
Das bringt den Film in eine ganz andere Ausgangslage, als es für Musiker-Biopics üblich ist, mit sich. Regisseur Rich Peppiatt kann im Grunde nur einen Aufstieg zeigen. Einen großen Fall, von dem es sich zu erholen gilt, gibt es noch nicht. Stattdessen ist alleine die Existenz der Band schon ein Skandal gewesen. Daraus ergibt sich ein gänzlich anderer Erzählton und schließlich die Entscheidung, die Geschichte von Kneecap in „Kneecap“ als das zu erzählen, was sie ist. Eine Rebellion.
In „Kneecap“ geht es darum sich aufzulehnen. Auflehnen gegen die Obrigkeit, den Staatsapparat. Kämpfen für ein unabhängiges Nordirland. Und das nicht mit Gewalt, sondern mit Musik. Dennoch spart „Kneecap“ nicht aus, dass mit Rebellion immer auch Gewalt einhergeht, allerdings in diesem Fall nicht von den Protagonisten ausgehend. Sie mischen die Menschen lediglich mit dem auf, was ihnen niemand nehmen kann. Mit ihrer Stimme.
In „Kneecap“ suchen junge und ältere Menschen nach ihrer wahren Identität

Entdecke Kneecap bei Thalia – Bücher, Musik & mehr zur rebellischen Band! SHOP NOW! 🎶🎼
Das ist dann auch gleichzeitig eine Suche nach der eigenen Identität. Sowohl im Großen als auch im Kleinen. Im Großen, weil die irische Sprache als Teil der Identität ausgemacht wird. Stellt sich nun die Frage, was diese Sprache ausmacht, was sie eigentlich bedeutet. Die ältere Generation wirft der Jüngeren vor, den Sinn der Sprache zu entfremden. In Wahrheit eignet sich Kneecap das Irische nur auf ihre Weise an, interpretiert es neu. Ein Konflikt zwischen Tradition und Jugend, den „Kneecap“ auch anhand einzelner Figuren erklärt.
Im Kleinen geht es um den eigenen Platz in der Welt. Die Freunde Naoise und Liam vegetieren vor sich hin. Sie fühlen sich in der Welt, die ihre Vorfahren geschaffen haben, nicht wohl. Während die Eltern nur der Vergangenheit nachjammern, suchen sie nach einem Weg, um ihre eigene Zukunft zu formen. JJ hingegen hat sich mit dem Lehrerdasein abgefunden. Wie in Trance wandelt er durch sein Leben, anstatt es zu leben. Erst Kneecap bringt seinen Lebensgeist zurück, gibt ihm eine Bestimmung und macht ihn zu DJ Próvaí. Und dann ist da noch die Generation jener, die einst selbst im Nordirlandkonflikt kämpften und sich und ihre Werte nun hinterfragen müssen. Auf diese Weise erzählt „Kneecap“ die Geschichte gleich mehrere Menschen in Nordirland, die sich über die Zeit selbst verloren haben
Eine Gruppe famoser Schauspieler, die eigentlich gar keine sind
„Kneecap“ geht also in die Tiefe, was die Figuren betrifft und versucht diese tiefgründig auszuarbeiten. Das gelingt zum einen durch das nuancierte Drehbuch, vor allem aber durch die Schauspieler. Erst durch Liam Óg Ó hAnnaidh, Naoise Ó Cairealláin und JJ Ó Dochartaigh werden Móglaí Bap, Mo Chara und DJ Próvaí lebendig. Das überrascht auch wenig, denn jeder spielt sich selbst. Die drei Musiker nicht mit Darstellern sondern eben mit den echten Kneecap-Mitgliedern zu besetzen, erweist sich als exzellenter Kniff. Auch weil alle drei viel Spaß an ihren Rollen haben. Sie bringen nicht nur die nötige Energie mit, sondern auch eine gehörige Portion Glaubwürdigkeit.
Für die Nebenrollen wurden dann aber richtige Schauspieler verpflichtet, die ihre Aufgabe ebenfalls gut lösen. In kleineren Momenten stechen insbesondere Josie Walker und Jessica Reynolds heraus. Das eigentliche Highlight im Cast ist aber ein Name, den man in diesem Film nicht zwingend erwarten würde. Zwar erhält der bereits mehrfach für einen Oscar nominierte Michael Fassbender nur wenige Szenen, diese reißt er jedoch sofort an sich. Seine Präsenz rundet den Film noch ein bisschen mehr ab.
„Kneecap“ vermischt Realität und Fiktion zu einem wilden, zügellosen Rausch
Wobei abrunden vielleicht das falsche Wort ist. Schließlich scheint „Kneecap“ auf seine zahlreichen Ecken und Kanten mehr als nur stolz zu sein. Denn auch, wenn die Geschichte auf wahren Begebenheiten basiert, wie hoch der Wahrheitsgehalt wirklich ist, werden wohl nur die Bandmitglieder selbst wissen. Zumindest macht „Kneecap“ gar keinen Hehl daraus, dass einiges hinzugedichtet wurde. Nur lässt sich nicht herausfinden was.
Dafür ist die gesamte Geschichte an sich schon zu absurd. Generell nimmt der Film einfach nie ein Blatt vor den Mund. Im Sinne der Rebellion fehlt ein kritischer Blick auf die Band komplett. Den braucht es aber auch nicht. „Kneecap“ will einfach nur mitreißen, den Zuschauer am wilden Treiben der Band teilhaben lassen. Das ist ein wilder Rausch aus ungezügeltem Drogenkonsum und zahlreichen weiteren Gesetzesbrüchen. Das Publikum ist schließlich alt genug die kritische Distanz zum Geschehen nach der Sichtung selbst herzustellen.
Auch die Inszenierung kennt keine Grenzen

Auch interessant: Die 5 besten Biopics
Dass das Publikum sich für den zelebrierten Wahnsinn und Dummheiten überhaupt öffnet liegt neben den charismatischen Figuren auch an der Inszenierung. Rich Peppiatt hält das Erzähltempo immer wieder hoch. Alle paar Sekunden geschieht irgendetwas. Das ist so extrem, dass die eigentlich sinnvollen, vereinzelten Ruhemomente den Erzählfluss sogar stören. Denn am besten ist „Kneecap“ immer dann, wenn Rich Peppiatt kreativ werden darf. Die Musik dröhnt laut, wenn sich das Trio wieder einem ihrer Drogen-Trips hingibt. Da kann es dann auch mal dazu kommen, dass alle um sie herum plötzlich wie Knetfiguren aussehen, oder ein Bühnenauftritt komplett aus dem Ruder läuft. Auch die Sexszenen sind nicht nur erzählerisch schräg, sondern auch inszenatorisch so umgesetzt, dass sie den Kern des Films perfekt treffen.
Fazit zu „Kneecap“:
Auch wenn ich der Musik-Richtung Hip-Hop wenig bis gar nichts abgewinnen kann, hat mich „Kneecap“ im Kino in seinen Bann gezogen. Für den Genuss des Films ist das Gefallen der Musik nebensächlich. Und dennoch ist „H.O.O.D“ nun ein Ohrwurm von mir. Wichtig ist, dass man sich auf die Geschichte einlässt. Dann ist „Kneecap“ ein wilder, rebellischer Film mit Ecken und Kanten, der sich um Nichts schert. Ein ausgestreckter Mittelfinger, der viel Spaß macht.
Werdet ihr euch „Kneecap“ im Kino ansehen?
TRAILER: ©Sony Pictures

Unterstützt uns!
Transparenzhinweis: Affiliate-Programme
Wir möchten dich darüber informieren, dass wir an Affiliate-Programmen teilnehmen. Das bedeutet, dass wir eine kleine Provision erhalten können, wenn du über einen unserer Links Produkte oder Dienstleistungen kaufst. Für dich entstehen dabei keine zusätzlichen Kosten – der Preis bleibt derselbe.
Durch diese Unterstützung können wir unsere Inhalte weiterhin kostenlos zur Verfügung stellen und stetig verbessern. Vielen Dank, dass du uns auf diese Weise hilfst!
Dir gefällt was wir machen? Dann supporte uns! Kommentiere, teile und like unsere Beiträge auch in Social Media. Mit deiner Unterstützung sorgst du dafür, dass die Seite weiter betrieben werden kann.

FLORIAN – Filmkritiker
Meine Leidenschaft begann wohl schon recht früh in meiner Kindheit, als ich erstmals die Karl May Verfilmungen der 60er Jahre von Rialto Film sah. Daraufhin erforschte ich klassische und modernere Filmreihen von Star Wars bis hin zum Marvel Cinematic Universe. Irgendwann wurde aus der Lust nach Abenteuer und Action eine Liebe zum Medium Film, die mich auch abseits der berühmten Blockbuster auf faszinierende Reisen schickte. Seit Juli 2020 bin ich auf Letterboxd aktiv und erweitere seither meinen Horizont beständig. Daraus entwickelte sich seit der Sichtung von „RRR“ und dem Kinobesuch von „Jawan“ eine Liebe für das indische Kino. Offen bin ich abseits dessen für nahezu alle Jahrzehnte und Genres, lediglich amerikanischen Komödien bleiben ich am liebsten fern.
Andere Meinungen zu „Kneecap“:
Oliver Armknecht von film-rezensionen.de
„Kneecap“ erzählt mit viel Spaß und Respektlosigkeit von dem gleichnamigen nordirischen Trio, das auf Irisch rappt und den Kampf mit den Obrigkeiten sucht. Das ist unterhaltsam und mitreißend, gibt gleichzeitig Stoff zum Nachdenken, wenn eine Reihe wichtiger Themen wie etwa Sprache als Identifikationsfaktor eingebaut werden. 8 von 10 Punkten.
Antje Wessels von Wessels Filmkritik
Der irische Oscar-Beitrag „Kneecap“ ist ein wildes, sich durch und durch authentisch anfühlendes Musikerbiopic auf den Spuren von „Trainspotting“, das die Sprengkraft der (irischen) Sprache hervorragend zur Geltung bringt.
Ilija Glavas von Kinomeister
Kneecap ist weit mehr als ein Biopic. Es ist ein explosiver Film über Musik, Freundschaft und den Kampf um Identität, der mit Witz, Wärme und fesselnder Visualität glänzt. Eine respektlose Hommage an eine Generation, die ihren Platz in der Welt sucht. Jetzt schon ein Kino-Erlebnis des Jahres 2025, das man nicht verpassen sollte: Ab ins Kino, oder wie die Hauptcharaktere es ausdrücken würden, zieh Leine! 8 von 10 Punkten.
Maxime Maynard von Cineman
In seinem ersten Spielfilm erzählt Rich Peppiatt die Geschichte der irischen Rap-Gruppe Kneecap. Ein packendes, energiegeladenes und dynamisches Drama, das man auf keinen Fall verpassen sollte.
Janick Nolting von Artechock
Eine kleine, unscheinbare Garage in Belfast wird während einer rauschhaften, drogengeschwängerten Nacht zum Ausgangspunkt einer steilen Karriere. In Rich Peppiatts Biopic Kneecap über die titelgebende Rap- und HipHop-Gruppe, die sich nach den Kniescheibenschüssen der IRA-Terroristen benannt hat, läuft der Film hier nach einer halben Stunde zu einer ersten exzessiven Höchstform auf.
Peter Osteried von Programmkino
Wer sich „Kneecap“ gerne im Original ansehen möchte, sollte handfest im Verständnis irischer Akzente sein. Das Gälisch wird ja immerhin mit Untertiteln versehen. Ein Film über Nordirland, wie er mal anders ist – ohne Terror, aber mit viel grimmigem Humor. Irland schickt den Film ins Rennen um den Auslands-Oscar 2025.
Pressematerial: Kneecap | 2024 ©Sony Pictures