We are back in the Game! Was gibt es besseres, als das neue Filmjahr mit einem Kinobesuch zu starten? Wir haben uns „Poor Things“ angesehen, eine Literaturverfilmung, die auf dem gleichnamigen Buch von Alasdair Gray beruht. In unserer Filmkritik sagen wir euch, ob sich ein Blick lohnt. 🎬 🔪 💉
Worum geht es in „Poor Things“?
„Poor Things“ ist ein britischer Spielfilm von Yorgos Lanthimos mit Emma Stone, Mark Ruffalo, Willem Dafoe, Ramy Youssef und Christopher Abbott.
Der Film basiert auf dem gleichnamigen schwarzhumorigen Roman von Alasdair Gray. Darin wird eine feministische Variation über Frankenstein erzählt. „Poor Things“ von Alasdair Gray erzählt die Geschichte von Bella Baxter (Emma Stone), einer jungen Frau im viktorianischen Schottland. Die Handlung nimmt Fahrt auf, als Bella bei einem Selbstmordversuch ums Leben kommt. Dr. Godwin („God“) Baxter (gespielt von Willem Dafoe), findet ihre Leiche und entscheidet sich, sie wieder zum Leben zu erwecken, indem er ihr das Gehirn eines ungeborenen Kindes einsetzt.
Bella erwacht als ein neues Wesen zum Leben. Sie entwickelt sich zu einer außergewöhnlich schönen und intelligenten Frau. Die Handlung nimmt verschiedene Wendungen, als Bella eine unabhängige Persönlichkeit annimmt und in die politischen und sozialen Umbrüche ihrer Zeit verwickelt wird.
Die Geschichte erkundet Themen wie Identität, Ethik, Wissenschaft und die Rolle der Frau in der viktorianischen Gesellschaft. Der Roman spielt mit dem Genre der Gothic Fiction und verbindet humorvolle Elemente mit sozialen Kommentaren.
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Die Geschichte von Frankensteins Monster
Frankensteins Monster ist ein Begriff. Der fiktive Charakter wurde von der britischen Schriftstellerin Mary Shelley erfunden. Sie veröffentlichte ihren berühmten Roman „Frankenstein oder (The Modern Prometheus)“ im Jahr 1818. Die Geschichte erzählt von einem jungen Wissenschaftler namens Victor Frankenstein, der ein menschenähnliches Wesen erschafft, das oft fälschlicherweise als „Frankenstein“ bezeichnet wird. Das Monster fand bereits viele Wege in die Welt der Popkultur. In Serien wie „The Frankenstein Chronicles“, „Penny Dreadful“ oder „The Munsters“.
Auch in Filmen ist Frankensteins Monster ein Vertreter des Horror Genre und wurde vielerlei interpretiert. Das Monster als Frau ist allerdings eine Premiere, selbst wenn es bereits auch Filme wie „Frankensteins Braut“ gab. Hinzu kommt, dass Alasdair Gray aus der Geschichte des modern Prometheus eine Feminismus Hymne geschrieben hat.
„Poor Things“ ein skurriles Kunstwerk mit Tim Burton Einschlägen
„Poor Things“ ist der 8. Spielfilm griechischen Regisseurs Giorgos Lanthimos. Seine Arbeiten sind bekannt für die künstlerischen Aspekte und ihre Skurrilität. Früher war Tim Burton für solche künstlerischen Spielereien bekannt, zumindest was Ausstattung und Charaktere betrifft. Lanthimos geht noch ein paar Schritte weiter. Bereits in seinem Film „The Favourite“ engagierte er Robbie Ryan für die Kameraarbeit. Dieser hat ein unglaubliches Gespür für künstlerische Bilder. Die Fischglasoptik, die bereits in „The Favourite“ begeistert hat, kommt auch hier wieder perfekt zur Geltung. Vor allem weil die komplexe, aber auch skurrile Handlung für solche künstlerischen Ideen, perfekt geeignet ist. So bekommt das Publikum nochmal einen anderen Blick auf die Handlung, die wie ein Fiebertraum wirkt.
Dazu gesellen sich farbenfrohe Bilder, im Wechsel zu Schwarz-Weiß Aufnahmen, die skurril und kunstvoll gestaltet sind. „Poor Things“ macht dadurch unfassbar Spaß, denn immer mehr wird erwartet, welch kreative Idee als nächstes präsentiert wird. Der Film wirkt wie eine frühere Tim Burton Arbeit, die durch Kulissen, Farbwechsel und Techniken besticht, doch hat Lanthimos in der Zusammenarbeit mit Robbie Ryan noch ein viel schöneres und interessanteres Kunstwerk geschaffen, als Burton es je wieder wagen würde.
Jerskin Fendrix komponierte dazu einen sehr beklemmenden, aber auch faszinierenden Soundtrack, der die kunstvollen Szenenbilder perfekt untermalt. Selbst wenn die Kompositionen etwas sperrig wirken, passen sie perfekt in „Poor Things“ und der Soundtrack wirkt wohl nur im Zusammenspiel mit dem Film.
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Vom Buch auf die Leinwand
Das Buch umfasst ca. 300 Seiten und ist mit vielen, stilistischen Spielereien wie Bilder, Zeichnungen, Handschrift, Typewriter und anderes gefüllt. Die Reise, die Bella (Emma Stone) gemeinsam mit Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo) erlebt, wird im Buch nur in einem Brief von Duncan an Dr. Godwin („God“) Baxter (Willem Dafoe) beschrieben. Darin äußert er sich ziemlich herablassend über Bella, besonders über ihr Fehlverhalten. Giorgos Lanthimos schmückte diese Phase in Bellas Leben noch weiter aus und schuf kleine Abenteuer für Bella. Außerdem wird der Film in die unterschiedlichen Länder unterteilt, in denen Bella und Duncan reisen und dabei wird näher auf die Handlung und Erlebnisse dort eingegangen. Das Buch ist hier etwas abgespeckter, daher war es interessant zu sehen, was Giorgos Lanthimos sich hierbei ausgedacht hat.
Die Botschaft ist allerdings die Gleiche, denn auch im Buch ist Bella eine Frau mit einem kindlichen Geist, der sich immer stärker behauptet. Besonders unter diesen toxischen Männlichkeiten. Denn auch wenn Godwin als der liebevolle Vater dargestellt wird, war es doch auch in seinem Sinne, die Kontrolle über Bella zu haben. Sie zu züchtigen und zu erziehen. Max McCandles (Ramy Youssef) ist ebenfalls nicht frei von Schuld, denn auch er möchte Bella seine Liebe aufzwingen. Was persönlich etwas befremdlich an der ganzen Geschichte ist, dass Bella zwar den Körper einer erwachsenen Frau besitzt, allerdings den Geist eines Kindes. Diese Konstellation liefert Gänsehaut, nicht nur die Tatsache, dass sie das Hirn ihres eigenen Säuglings besitzt, sondern dass sie im Grunde ein Kind ist und sich Männer um sie reißen. Zumindest solange, bis sie sich so fügt, wie sie es wollen.
Giorgos Lanthimos hat die Geschichte von Alasdair Gray hervorragend adaptiert, denn die Kernaussage trifft es exakt, wie auch im Buch und geht sogar noch tiefer. Die visuelle Aufarbeitung gibt dem Publikum das richtige Gespür für Handlung und Charaktere. Zusätzlich erzählt er die Geschichte unverfälscht und schmückt sie nicht unnötig mit diversen Handlungssträngen aus.
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Die andere Sichtweise auf Frankensteins Monster
Wie schön wäre es, die ganze Welt noch einmal aus den Augen eins Kindes zu sehen? Bella Baxter ist im Kern noch ein Kind und geht auch dementsprechend unverfroren an Situationen heran. Die Gedanken, was andere über jemanden denken könnten, sind komplett verschwunden. Bella ist ein Freigeist, der sein Leben gestaltet, wie er es für richtig hält. Genau das ist auch der Sinn des Feminismus!. Dass Frauen sich so ausleben dürfen, wie sie wollen, ohne etwas vorgeschrieben zu bekommen. Oder in irgendwelchen Rollenbildern zu verfallen.
Zusätzlich ist Bella unfassbar klug und erinnert teilweise an die Adaption von Frankensteins Monster aus der Serie „Penny Dreadful“. John Logan hat bereits in der Serie das „Monster“ anders interpretiert. Der Auferstandene mit dem Namen John Clare, gespielt von Rory Kinnear, zeigte bereits in der Serie eine hohe Intelligenz, war belesen und einfühlsam. Eine schöne Idee, denn nur weil John tot war, muss das nicht heißen, dass er nun wie ein Zombie durch die Welt geht.
Bei Bella geht die Thematik mit dem kindlichen Geist noch tiefer, da sie ohne Unbehagen die Welt und auch ihre Sexualität erkundet. Dabei geht sie ohne Furcht an die Sache heran. Jedoch sind beide frei, denn nur weil sie erschaffene Geschöpfe sind, heißt es nicht, dass sie das Eigentum von jemandem wären.
„Poor Things“ besticht allein schon durch seine Hauptdarstellerin
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Mark Ruffalo, der den Hulk erst richtig sympathisch machte, kehrt zu seinen Wurzeln zurück. Dass er vor dem MCU ein phänomenaler Charakterdarsteller war, hatte er mehrfach bewiesen. Seine Charaktere füllte er stehts mit Ernsthaftigkeit und Sympathie. In „Poor Things“ zeigt er sich von einer anderen Seite und spielt eine toxische, männliche Person, die unsympathischer nicht sein kann. Willem Dafoe (Inside) spielt wie immer solide, hätte aber noch ein bisschen mehr herausholen können. Ramy Youssef (Don’t Worry, weglaufen geht nicht) wirkt in seiner Darstellung dem übrigen Cast gegenüber etwas blass, könnte aber auch an seinem Charakter liegen, der nicht ganz so viel beizutragen hat.
Alle in den Schatten stellt ohnehin Emma Stone (La La Land), die bereits ihre 4. Oscarnominierung erhalten hat. Unter anderem auch für die vorherige, gemeinsame Zusammenarbeit mit Giorgos Lanthimos zu „The Favourite„, als beste Nebendarstellerin. Ihre Performance in „Poor Things“ übertrifft jedoch alles, was Emma bereits gespielt hat. Die Wandlung ihres Charakters, vom Kind zur emanzipierten Frau ist ihr unfassbar gelungen. Besonders die Anfangsszenen, in der Bella erst einmal richtig laufen lernt, spielt Emma Stone so authentisch und eingängig.
Neben der großartigen Kameraarbeit, dem künstlerischen Soundtrack, dem großartigen Cast und der gelungenen Ausstattung darf nicht vergessen werden, die hervorragenden Kostüme zu erwähnen. Holly Waddington schuf hier wieder einmal wundervolle Arbeiten mit einem Mix aus viktorianischem Stil, gepaart mit Moderne.
Fazit:
„Poor Things“ ist ein Kunstwerk mit vielen Facetten. Zusätzlich eine gelungene Literaturverfilmung eines wichtigen Stoffes mit prägnanten Themen dieser Zeit. Neben Greta Gerwigs „Barbie“ ist „Poor Things“ ein ebenso wertvoller Beitrag über das Patriarchat, Feminismus und Emanzipation. Wird jedoch nicht so zugänglich für die breite Masse sein. Schade, da „Poor Things“ die Thematiken noch direkter angeht. Allerdings durch die künstlerische Aufarbeitung für ein Massenpublikum zu sperrig sein wird.
Selbst wenn die Kunst des Werkes und der Humor den Film etwas auflockert, wirkt „Poor Things“ an manchen stellen doch etwas lang. Besonders der Mittelteil, der mit vielen Sexszenen bespickt ist, hätte eine kleine Straffung vertragen. Denn man fragt sich an dieser Stelle, ob das nun Kunst oder Provokation ist und ob es nötig ist. Dennoch ist „Poor Things“ ein gelungener Film der beeindruckt und auch Spaß macht.
Werdet ihr euch „Poor Things“ im Kino ansehen?
TRAILER: ©20th Century Studios
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RILEY – Chief Editor
Ich blogge seit dem 14. Dezember 2014 auf passion-of-arts.de. Schon in meiner Jugend schrieb ich viele Gedichte und Kurzgeschichten. Seit ca. 12 Jahren widme ich mich professionell Filmrezensionen und war Guest Writer bei der Filmblogseite „We eat Movies“. Außerdem verfasste ich einige Artikel für das 35 MM Retro-Filmmagazin. Ich sterbe für Musik und gehe liebend gerne ins Kino, außer in 3D. TV ist überbewertet, ich gucke lieber DVD, Streaming oder Bluray. Meine Lieblingsfilme sind unter anderem „Titanic“, „Herr der Ringe“ und „Back to the Future“.
Andere Meinungen zu „Poor Things“:
Bayrischer Rundfunk | Bayern 2
Leider zieht der Film seine Kritik an den Verhältnissen nicht durch. Die emanzipatorische Idee verkommt stattdessen zu einer weinerlichen Abhandlung über Männlichkeit. Statt sich auf die neuen Ideen zu konzentrieren, die eine Bella Baxter für die Gesellschaft zu bieten hätte, findet „Poor Things“ es stattdessen interessanter, sich damit zu beschäftigen, welche Auswirkungen das Bella-Experiment auf die um sie herumkreisenden Männer hat.
Vogue
Neben skurrilen Vater-Tochter- und Vater-Sohn-Beziehungen, die sich sicherlich ergiebig mit freudschen Theorien sezieren lassen und dem prägnanten „Frankenstein„-Motiv, geht es in „Poor Things“ um noch viel mehr:
Vieraugen Kino
Emma Stone brilliert als Frankensteins Tochter auf Entdeckungsreise in Yorgos Lanthimos‘ schräg-surrealer Satire Poor Things. 9 von 10 Punkten.
Martin Kostenzer auf Letterboxd
So ist Poor Things ein zauberhafter, fantastischer, wunderschöner, sperriger, spezieller und beeindruckender Film mit grandiosen Schauspielern und eindrucksvollen Bildern, kurzum ein einmaliges Kinoerlebnis!
Johannes auf Letterboxd
Inhaltlich steckt im Film so viel drin, dass ich gar nicht mehr alles auf dem Schirm habe und vermutlich einiges auch gar nicht wahrgenommen habe. Poor Things lädt einen direkt zum Rewatch ein, um noch mehr über die Themen und Botschaften heraus zu finden.
Popculture.me | Rick auf Letterboxd
Alles eingebettet in eine famose, verspielte und immer wieder überraschende Kameraarbeit und unterlegt von einem Klangteppich so einzigartig und zu den skurrilen Figuren passend, wie ich es selten erlebt habe. Ich liebe alles und zwar wirklich alles an „Poor Things“.
4 Kommentare
Im Kino werde ich den sicherlich nicht sehen. Vielleicht später mal bei Netflix oder Prime. 😉
@wortman
Ich denke der könnte was für dich sein. Bin dann gespannt wie du ihn fandest.
Hallo Riley/Neon Dreamer,
ich habe „Poor Things“ einen halben Punkt weniger gegeben, kann deiner Rezension aber komplett zustimmen. Sehr schön der Vergleich zu Caliban/John Clare aus „Penny Dreadful“, da hätte ich auch drauf kommen können, zumal das ja eine meiner Lieblingsfiguren aus der Serie ist.
Würdest du bitte noch meine Filmkritik verlinken? Das wäre super! *liebschau* 😉
https://www.kino.vieraugen.com/kino/poor-things/
Hallo @mwj2
Danke. Ja John Clare war auch einer meiner liebsten Charaktere in der Serie. War mir sofort eingefallen, als ich „Poor Things“ sah. Ich war erst bei 8,5 dachte mir dann aber ach komm 9,5! Wollte am Ende des Films applaudieren, das muss schon was heißen.
Deine Kritik hab ich verlinkt *liebzurückschau