Nosferatu – Der Untote – Filmkritik

Nosferatu - Der Untote Filmkritik

Das Kinojahr ist noch jung, aber keine Zeit zum Durchatmen, denn eine sehr alte Gestalt hat ihre langen, düsteren Schatten auf die Leinwände geworfen: Robert Eggers hat den legendären „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ neu interpretiert – und ich sage es gleich zu Beginn, das hier könnte die beste Adaption von „Bram Stokers Dracula“ sein, die wir je bekommen haben.

Ein Beitrag von: Lennart Goebel

Worum geht es in „Nosferatu – Der Untote“?

Nosferatu – Der Untote“ ist ein US-amerikanischer Horrorfilm unter der Regie von Robert Eggers, der am 25. Dezember 2024 in den USA und am 2. Januar 2025 in Deutschland erscheint. 

Die Handlung spielt im Jahr 1838 in Deutschland und erzählt die Geschichte von Ellen Hutter (Lily-Rose Depp), einer jungen Frau, die von Visionen heimgesucht wird. Ihr Ehemann, Thomas Hutter (Nicholas Hoult), ein Immobilienmakler, reist nach Transsylvanien, um Geschäfte mit dem geheimnisvollen Graf Orlok (Bill Skarsgård) abzuschließen. Während seiner Abwesenheit verschlechtert sich Ellens Zustand und es wird klar, dass Graf Orlok ein uralter Vampir ist, der eine unheimliche Besessenheit für Ellen entwickelt hat. Dies führt zu einer Reihe von schrecklichen Ereignissen, die das Paar und ihre Umgebung in Gefahr bringen.

Dracula – Ein Stoff, viele Verfilmungen

Eine Frau bei Nacht. Eine schattenhafte Hand schwebt über ihrem Körper.
Ellen (Lily-Rose Depp) im düsteren Griff des Vampirs. — Nosferatu – Der Untote | 2025 ©Universal Pictures

Auch interessant: Hagazussa – der Hexenfluch – Filmkritik

Doch bevor ich mich in Lobeshymnen verliere, lasst mich kurz ausholen.

Wer uns im November auf Instagram verfolgt hat, weiß, dass dieses Jahr beim Braunschweig International Film Festival alles im Zeichen des Vampirfilms stand. Die Mitternachtsreihe: Vollgepackt mit blutdürstigen Klassikern. Der Eröffnungsfilm? Francis Ford Coppolas „Bram Stokers Dracula„. Ein Buch, das nicht nur ein Genre definierte, sondern gefühlt jede zweite Generation von Filmemachern dazu zwang, sich an einer eigenen Version zu versuchen.

Nun widmet sich Horrorspezialist Robert Eggers dem Stoff

Jetzt hat sich Eggers an das Remake eines Films gewagt, der selbst unter verbotenen Umständen entstand – eine wilde Geschichte aus Plagiaten, Gerichtsprozessen und der beinahe kompletten Vernichtung aller Kopien. Fast 100 Jahre später greift Eggers diesen Klassiker des expressionistischen Horrors auf und liefert etwas, das für mich das Original nicht nur ehrt, sondern an vielen Stellen übertrifft.

Versteht mich nicht falsch: „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ von 1922 ist eine Ikone. Ich hatte das Glück, ihn auf dem Festival in Begleitung einer Kirchenorgel zu sehen, und es war magisch. Aber seien wir ehrlich, der Zahn der Zeit hat an ihm genagt. Werner Herzogs Adaption „Nosferatu: Phantom der Nacht“ von 1979? Für mich eine herbe Enttäuschung. Ich schwöre bei Gott ich kann Kinski nicht ernst nehmen, wenn er wie ein Bieber da steht und in die Raumecken guckt als ob dort ein blutbeschmiertes Plätzchen liegt. Doch Eggers? Der Mann mit dem Händchen für düstere, stilvolle Volkssagen (The Witch, Der Leuchtturm, The Northman)? Er war schlicht der perfekte Mann für diesen Stoff.

Atmosphäre, die unter die Haut geht

Ein Mann, der von Flammen umgeben ist, lacht.
William Dafoe spielt den wahnsinnigen Wissenschaftler Prof. Albin Eberhart von Franz und ist das schauspielerische Highlight des Films. — Nosferatu – Der Untote | 2025 ©Universal Pictures

Auch interessant: The Witch – Filmkritik

Der Film packt dich ab der ersten Minute. Die Eröffnungssequenz? Ein mystischer Prolog, der so viel Rätselhaftes andeutet, dass ich sofort wissen wollte, was zum Teufel hier vor sich geht. Mal ganz davon abgesehen das direkt der erste von wenigen gut platzierten Jump-Scares genau hier das Schaudern einläutet. Eggers kreiert eine Welt, die irgendwo zwischen Traum und Albtraum existiert.

Im Zentrum steht die Hansestadt Wismar – oder, wie es hier genannt wird, Wisborg. Falls es jemand vermuten sollte, nein das ist nicht der authentisch historische Name der Stadt, erstaunlicherweise ist die noch nicht ganz klar, aber ich schweife ab. Eine Seefahrerstadt im ausgehenden 19. Jahrhundert. Eggers macht keine halben Sachen: Die Stadt, die Menschen, die Kostüme – alles wirkt, als sei es direkt aus der Zeit gefallen. Keine viktorianischen Kitsch-Klischees, sondern eine klaustrophobische Authentizität, die fast spürbar modrig und feucht ist.

Eine bekannte Handlung gut neuinterpretiert

Die Handlung folgt im Kern dem bekannten Muster: Ein ehrgeiziger Makler reist zu einem exzentrischen Grafen, um ihm ein Grundstück in Wisborg zu verkaufen. Alle Zeichen stehen auf „Lass es sein!“, aber natürlich ignoriert er jede Warnung. Eggers nimmt diese bekannte Geschichte und gibt ihr Tiefe. Figuren, die im Original oder in anderen Adaptionen eindimensional wirkten, haben hier ein echtes Innenleben.

Und dann ist da natürlich der Graf – gespielt von Bill Skarsgård, der mittlerweile eine Art inoffizieller Horror-König geworden ist. Sein Nosferatu hat nicht nur einen beeindruckenden Schnurrbart (ja, wirklich!), sondern auch eine Präsenz, die zwischen abstoßend und faszinierend changiert.

Kamera und Bildsprache: Ein Fest für Cineasten

Ein Mann steht auf einem Waldweg bei Nacht.
In diesem Film ist jede Szene ein Gemälde, insbesondere diese Waldszene. — Nosferatu – Der Untote | 2025 ©Universal Pictures

Auch interessant: Heretic – Filmkritik

Die visuelle Umsetzung von „Nosferatu – Der Untote“ ist schlichtweg atemberaubend. Eggers beweist erneut, dass er ein Meister des Licht- und Schattenspiels ist. Eine Szene bleibt besonders im Gedächtnis: Die Fahrt durch den Wald mit der dämonischen Kutsche. Die perfekte Symmetrie und die subtilen Bewegungen der Kamera schaffen eine beklemmende Atmosphäre, die ihresgleichen sucht. Ich musste unweigerlich an Wes Anderson denken – als hätte dieser eine Horrorvision inszeniert. Dieses Bild hat sich sofort in meine Sammlung ikonischer Filmszenen eingebrannt und ziert jetzt meinen Fernseh-Bildschirmschoner.

Eggers gelingt es, den Schrecken der Pest, die der Graf nach Wismar bringt, greifbar zu machen. Wo frühere Adaptionen diesen Aspekt oft oberflächlich behandelten, wirkt er hier real und beunruhigend. Die klaustrophobischen Straßen der Stadt, die verzweifelten Gesichter der Bewohner – alles trägt zu einer beklemmenden Atmosphäre bei, die den Zuschauer unweigerlich in ihren Bann zieht.

Die Besetzung: Licht und Schatten

Eine Frau bei der Blut aus Augen und Mund läuft.
Ellen (Lily-Rose Depp) ist die Protagonistin der düsteren Romanze. — Nosferatu – Der Untote | 2025 ©Universal Pictures

Auch interessant: Beau Is Afraid – Filmkritik

Willem Dafoe als Prof. Albin Eberhart von Franz (a.k.a. Van Helsing) ist ein absoluter Gewinn. Er verleiht der Figur eine Tiefe und Ernsthaftigkeit, die oft fehlt, ohne dabei die skurrilen Eigenheiten zu verlieren, die wir von Dafoe gewohnt sind. Lily-Rose Depp hingegen hat mich nicht vollends überzeugt. Ihre Darstellung war mir zu theatralisch und wirkte stellenweise überzogen. Das könnte jedoch auch eine subjektive Wahrnehmung sein, wie mein Kollege Flo es anders empfand.

Hervorzuheben ist Bill Skarsgård als Graf Orlok / Nosferatu. Mit seiner kühl-bedrohlichen Aura und einem markanten Schnurrbart – bei solch einer Gesichtsbehaarung werden Männerherzen weich – gibt er der Figur eine Präsenz, die sowohl Respekt als auch Angst einflößt. Eggers’ Entscheidung, Nosferatu so darzustellen, ist mutig und zahlt sich aus. Es ist eine Verbesserung gegenüber Klaus Kinskis Version, die – um es freundlich zu sagen – einfach nicht die gleiche Wirkung hatte.

Nicholas Hoult als Thomas Hutter ist solide, aber unspektakulär, und Aaron Taylor-Johnson als Hafenmeister Friedrich bringt eine angenehme „deutsche“ Ernsthaftigkeit in die Geschichte. Insgesamt hätte ich mir jedoch gewünscht, dass die sympathischen Nebenfiguren mehr Tiefe erhalten.

Ein Triumph für ambitioniertes Filmemachen

Eine Kutsche ist bei Nacht auf dem Weg zu einem Schloss.
Die modernen Neuinterpretation des gotischen Horrors. — Nosferatu – Der Untote | 2025 ©Universal Pictures

Auch interessant: Wer ist dein Liebster Vampir aus einer Serie?

Was „Nosferatu – Der Untote“ besonders macht, ist Eggers’ unverkennbarer Stil. Seine „gotische“ Cinematographie, die Liebe zum Detail in Kostümen und Sets sowie die akribische Umsetzung historischer Genauigkeit heben den Film auf ein Level, das viele moderne Produktionen nicht erreichen. Jedes Bild scheint aus einem kunstvollen Gemälde zu stammen, die Farbpalette wechselt gekonnt zwischen kühlen, düsteren Tönen und dramatischen Kontrasten, die die Stimmung perfekt untermalen. Besonders beeindruckend ist, wie Eggers das Zusammenspiel von Licht und Schatten nutzt, um die Bedrohlichkeit des Grafen und die Verzweiflung der Menschen darzustellen.

Verbeugung vor dem Original mit frischen Ideen

Es ist bemerkenswert, wie Eggers es schafft, dem klassischen Stoff eine neue visuelle Sprache zu verleihen, ohne dabei die Essenz des Originals zu verlieren. Die sorgfältige Inszenierung der Pest, die Nosferatu nach Wismar/Wisborg bringt, ist ein Paradebeispiel für seinen Ansatz: Historische Authentizität wird hier mit der Symbolkraft des Horrorgenres verwoben, um den Zuschauer auf eine Weise zu berühren, die man selten im Mainstreamkino erlebt.

Warum gibt es nicht mehr solche Filme? Viele heutige Filme kosten das Dreifache und sehen trotzdem schlechter aus. Eggers zeigt, dass Leidenschaft und künstlerische Integrität mehr zählen als reines Budget. Während viele Blockbuster oft auf Effekthascherei setzen, liegt hier der Fokus auf der Erschaffung einer Welt, die so greifbar und authentisch wirkt, dass sie die Zuschauer völlig in ihren Bann zieht. Es ist eine Einladung, die Kunst des Filmemachens zu feiern – eine Erinnerung daran, was das Kino sein kann, wenn Visionen mutig verfolgt werden.

Thomas Hutter (Nicolas Hoult) und Friedrich Harding (Aaron Taylor-Johnson) schauen nachdenklich.
Eine Person steht in einem düsteren Torbogen bei Nacht.
Ellen (Lily-Rose Depp) läuft schlafwandelnd aus einem Haus heraus.
Thomas Hutter (Nicolas Hoult) in einem Gewölbegang.
Zwei Frauen gehen am Strand spazieren.
Thomas Hutter (Nicolas Hoult) schaut nachdenklich.

Auch interessant: Neue Filme und Serien im Januar 2025 – Die Monatsvorschau

Fazit zu „Nosferatu – Der Untote“:

„Nosferatu der Untote“ ist nicht nur ein persönliches Highlight des Kinojahres, sondern auch ein Meilenstein für das Horrorgenre. Eggers gelingt es, einer altbekannten Geschichte neues Leben einzuhauchen und gleichzeitig seine eigene Vision kompromisslos umzusetzen. Der Film ist eine Hommage an das Original, ohne dabei nostalgisch zu wirken, und beweist, dass auch alte Stoffe im richtigen kreativen Umfeld völlig neu erstrahlen können.

Der Einfluss des Films wird weit über dieses Kinojahr hinausreichen. Mit Sicherheit wird er in vielen Jahresbestenlisten auftauchen und als Referenzpunkt für künftige Horrorfilm-Remakes dienen. Eggers beweist, dass mutige und originelle Filmemacher die Kraft haben, nicht nur Genregrenzen zu verschieben, sondern auch das Publikum neu für das Kino zu begeistern.

Ich verlasse das Kino mit dem Gefühl, etwas Außergewöhnliches gesehen zu haben. Eggers hat nicht nur einen Klassiker modernisiert, sondern auch bewiesen, dass es noch möglich ist, in der übersättigten Welt der Adaptionen etwas wirklich Einzigartiges zu schaffen. Für mich ist „Nosferatu – Der Untote“ mehr als ein Film – es ist ein Erlebnis, das lange nachwirkt und dazu einlädt, das Kino wieder als einen Ort des Staunens zu betrachten.

Werdet ihr euch den Film „Nosferatu – Der Untote“ ansehen?


TRAILER: ©Focus Features

Nosferatu - Der Untote Filmkritik

Dir gefällt was wir machen? Dann supporte uns! Kommentiere, teile und like unsere Beiträge auch in Social Media oder spendiere uns einen KAFFEE ☕. Mit deiner Unterstützung sorgst du dafür, dass die Seite weiter betrieben werden kann.

Der Beitrag enthält Affiliate Links von Amazon. Bei einem Kauf ändert sich für dich nichts, du unterstützt lediglich dadurch unsere Arbeit. Außerdem Links zu den Streamingdiensten Netflix und Disney+. Auch hier ändert sich nichts für dich bei einem Abo-Abschluss und es zwingt dich niemand dazu. Dafür bekommen wir auch nichts. Dies dient nur dazu, dass du gleich Zugriff auf den besprochenen Film hast, ohne noch einmal extra auf die Streamingseite gehen zu müssen.  

LENNART – Autor
Seit November 1995 mache ich das Internet unsicher und nachdem ich viel zu früh gesehen habe, wie ein Anwalt von einem Tyrannosaurus-Rex gefressen wurde, ein Feuchtfarmer die Galaxy rettet und ein Waisenjunge erfährt, dass seine Eltern Zauberer waren, seitdem ist es um mich geschehen. Filme sind für mich das Medium Nummer 1, auch wenn ich so gut wie jeder Form von Kunst etwas abgewinnen kann, ist es das bewegte Bild, das mein Herz am meisten eingenommen hat. Abgesehen vom American Football, der mich 22 Jahre begleitet hat und durch Filme wie „Remember the Titans“ meine eigenartige Vorliebe für den Sportfilm geweckt hat, weswegen man mich auf Letterboxd nur als den Coach kennt.

Filmkritik: Indiana Jones und das Rad des Schicksals

 

Andere Meinungen zu „Nosferatu – Der Untote“:

Oliver Armknecht von film-rezensionen.de
„Nosferatu – Der Untote“ verbeugt sich vor dem großen Klassiker und erzählt die Geschichte um einen jungen Mann, der in die Fänge eines Vampirgrafen gerät. Das sieht teilweise sensationell aus, auch ein kaum wiederzuerkennender Bill Skarsgård hinterlässt Eindruck. Es fehlt jedoch eine eigene Note, wie man sie von Eggers hätte erwarten können, zwischendurch zieht sich zudem der überlange Horrorfilm. 7 von 10 Punkte.

Anna Edelmann und Rüdiger Suchsland auf artechock
Mit dem ersten Hahnen­schrei endet der Spuk. Warmes Licht durch­flutet die Dunkel­heit, der Vorhang schließt sich und die Kinotüren entlassen uns zurück in die Welt. Doch der Tanz aus Licht und Schatten wird uns schon bald wieder in seinen Bann ziehen.

Bert Rebhandl von tipBerlin
Der US-amerikanische Regisseur Robert Eggers hat das 100 Jahre alte Stummfilm-Meisterwerk über einen grausigen Vampir neu verfilmt: In „Nosferatu – Der Untote“ rollt er die alte Geschichte noch einmal auf, in Farbe und mit Willem Dafoe, Nicholas Hoult und Lily-Rose Depp. tipBerlin-Kritiker Bert Rebhandl findet, mit satten Bildern und prächtigen Dekorationen bietet Eggers alles auf, was das heutige Kino zu bieten hat. 4 von 5 Punkte.

Pressematerial: Nosferatu – Der Untote | 2025 ©Focus Features

Das könnte dich auch interessieren

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Technische Umsetzung durch die Internetagentur SEO Lausitz. Professionelles Webdesign in der Oberlausitz für Löbau, Bautzen, Görlitz und Zittau!