Der Film „Heretic“ aus dem Jahr 2024 ist ein US-amerikanischer und kanadischer Horrorfilm, inszeniert und geschrieben von Scott Beck und Bryan Woods. Ich habe mich in die albtraumhafte Falle von Hugh Grant begeben und berichte euch in den folgenden Zeilen, wie und ob ich entkommen bin.
Ein Beitrag von: Florian
Worum geht es in „Heretic“?
In „Heretic“ führt eine scheinbar harmlose Einladung ins Anwesen des charismatischen Mr. Reed (Hugh Grant) die Missionarinnen Schwester Paxton (Chloe East) und Schwester Barnes (Sophie Thatcher) in eine albtraumhafte Falle. Die beiden jungen Frauen finden sich in einem perfiden Katz-und-Maus-Spiel wieder, bei dem sie sich nicht nur auf ihren Glauben verlassen können, sondern auch ihren Verstand und ihre Willenskraft brauchen, um dem Labyrinth des düsteren Hauses zu entkommen.
„Heretic“ als Abhandlung über den Glauben
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Produziert von A24, ist von Beginn an klar, dass „Heretic“ kein handelsüblicher Horrorschocker ist, in dem es lediglich um Blut und Jumpscares geht. Wie die meisten Horrorfilme von A24 lässt sich auch der Film von Scott Beck und Bryan Woods eher als sogenannter elevated horror bezeichnen.
Als solcher besitzt „Heretic“ ein zentrales Thema, dem in der Handlung sehr viel Raum eingeräumt wird. Die beiden Protagonisten wollen im Auftrag der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, ehemals als Mormonen bekannt, Menschen für die Glaubensgemeinschaft anwerben. Das ist in „Heretic“ jedoch viel mehr als nur ein Aufhänger.
Die komplette erste Stunde ist im Grunde eine Diskussion über Glauben und Religion. Der Schlüssel zu allen Mysterien des Filmes, liegt darin vergraben. Mr. Reed will sich zunächst überzeugen lassen, nur um selbst in die Offensive zu wechseln. Er vergleicht Religionen, stellt den Glauben als mindestens fragwürdig dar und unternimmt selbst den Versuch zu überzeugen.
Belief oder Disbelief?
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Vor diese Frage werden Schwester Paxton und Schwester Barnes in einer Schlüsselszene von „Heretic“ gestellt. Entscheiden sie sich nach Mr. Reeds Ausführungen immer noch für den Glauben, den sie anscheinend mit Eifer vertreten wollen oder beginnen sie zu zweifeln? Letzteres will Mr. Reed offenkundig erreichen, wobei er an einer ernsthaften Diskussion wahrscheinlich gar nicht so interessiert ist, wie er tut.
Schließlich ist es die bedrohliche Gesamtsituation, die dafür sorgt, dass die Entscheidung für Belief oder Disbelief eigentlich gar nichts mehr mit dem Glauben an sich zu tun hat. Die beiden Missionarinnen wollen das Haus nur noch verlassen. Der Konflikt mit Mr. Reed lässt sich immer mehr als Psychospiel verstehen. Ein Kampf um Kontrolle und Manipulation.
Inhaltlich führt in „Heretic“ zu viel ins Nichts
Leider bleibt „Heretic“ inhaltlich sehr oberflächlich. Auch wenn am Ende klar ersichtlich ist, worauf alles hinauslaufen sollte und was Mr. Reed am Konzept des Glaubens kritisiert, blieb ich etwas unbefriedigt zurück. Es liegt alles zu sehr auf der Hand. Die gelieferten Erkenntnisse sind nicht überraschend und im Angesicht der Laufzeit von 110 Minuten recht dürftig.
Nun zu argumentieren „Heretic“ sei schließlich ein Horrorfilm und kein Drama ist legitim, nur handelt es sich in diesem Fall doch tatsächlich um einen reinen Dialogfilm. Als Kammerspiel legt es „Heretic“ darauf an, dass die Figuren miteinander sprechen. Damit besitzt der Film viel Potential, doch am Ende wird zwar viel geredet aber wenig gesagt.
„Heretic“ ist reines Thesenkino, welches diese aber nicht verargumentiert. Dabei sind Thesen lediglich Auslöser für Diskussionen. Für ein gehaltvolles Gespräch benötigt es nun Argumente für und wider. Das liefert „Heretic“ nie, sondern reiht einen schrägen Vergleich und eine seltsame Hypothese an die nächste, ohne dass diese jemals gut überlegt, untermauert oder in Frage gestellt werden. Und das, obwohl die Zeit vorhanden gewesen wäre. Doch „Heretic“ endet lieber mit reiner Symbolik statt mit Argumenten, bezieht dadurch auch noch ganz klar Stellung und lässt jeden vorherigen Anflug einer Diskussion als irrelevant erscheinen.
„Heretic“ lebt durch Hugh Grant
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Dass das Publikum dennoch die ganze Zeit von den Gesprächen gefesselt ist, hat der Film allein Hugh Grant zu verdanken. Einst vor allem aus Komödien als verträumter Tollpatsch bekannt, zeigte er vor einigen Jahren in „Paddington 2“, dass ihm auch die Rolle des Schurken liegt. Daran knüpfte er seither mehrfach an. Sein Auftreten als Mr. Reed in „Heretic“ dürfte allerdings mit Abstand die bösartigste Figur seiner Schauspielerkarriere sein.
Dennoch war ich die ganze Zeit von Mr. Reed fasziniert. Er ist zumindest anfangs ein Bösewicht, den man so noch nicht allzu oft gesehen hat. Hugh Grant legt den älteren Mann charmant an. Immerzu grinst Mr. Reed, wird nie laut oder wütend. Sein Tonfall ist ruhig, geradezu einladend. Eigentlich ist Mr. Reed auf den ersten Blick ein sehr sympathischer Zeitgenosse. Und gerade dadurch wird die Figur noch bedrohlicher sobald klar wird, dass der nette Gastgeber etwas Böses im Schilde führt. Selbst im Moment mörderischer Gewalt bleibt Hugh Grants Mimik gelassen und freundlich.
Intelligenter Philosoph oder wahnsinniger Psychopath?
Diese Frage stellt sich andauernd in „Heretic“. Mr. Reed gibt vor Ersteres zu sein, doch nur Letzteres wäre in der Lage Menschen einzusperren und in böses Spiel zu verwickeln. Das ist zumindest ein nachvollziehbarer Gedankengang. Durch meine bereits erläuterten Kritikpunkte lässt sich bereits erahnen für welche Variante sich „Heretic“ entscheidet. Denn auch wenn ich Hugh Grant endlos bei seinen Monologen zuhören könnte, für philosophische Gedankengänge bieten sie zu wenig.
Ich hätte mir jedoch gewünscht Mr. Reed wäre nicht nur ein einfacher Psychopath. Nur leider macht „Heretic“ durch zahlreiche Ereignisse in der zweiten Filmhälfte diese Hoffnung zunichte. Auch wenn Hugh Grant in jeder Szene brilliert, kann er nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Figur des Mr. Reed viel Potential liegen lässt. Am Ende ist er dann auch nicht viel mehr als ein klassischer wahnsinniger Horrorfilm-Psychopath.
Die Protagonisten von „Heretic“ sind nicht so interessant wie der Antagonist
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Trotz des verschenkten Potentials am Ende bleibt das Interesse an Mr. Reed im Verlauf des Films durchgehend aufrecht. Bei den eigentlichen Hauptfiguren lässt sich dies leider nicht behaupten. Mit Schwester Paxton und Schwester Barnes soll mitgefühlt werden. Sie sind die Opfer des Schurken. Das Publikum soll um sie bangen.
Auch das funktioniert leider nur bedingt. Sophie Thatcher und Chloe East liefern ohne Frage eine solide Performance ab. Mit Hugh Gant können sie jedoch nicht mithalten. Und so ertappte ich mich dabei, wie mir das Schicksal der Missionarinnen immer egaler wurde. Meine Aufmerksamkeit galt nur Mr. Reed. Das liegt zum einen am Schauspiel von Grant, aber vor allem auch daran, dass die beiden Missionarinnen einfach keine sonderlich interessanten Figuren sind. Das Drehbuch von „Heretic“ versäumt es ihre Charaktere und inneren Konflikte auszuformulieren und auszuspielen.
Das Horrorhaus in „Heretic“
Wenn die größten Kritikpunkte das Drehbuch treffen, ist das immer ein wenig ärgerlich für eine Filmkritik. Solche Punkte ziehen sich oft durch viele Facetten und überdecken das, was richtig gut gelungen ist. „Heretic“ kann glücklicherweise auch noch inszenatorisch und atmosphärisch als Horrorfilm überzeugen.
Einen großen Anteil daran hat das Haus von Mr. Reed. Dies entpuppt sich als wahres Horrorhaus. Bei diesen verhält es sich genau wie bei Mr. Reed. Auf den ersten Blick nett, auf den Zweiten ungemein gruselig. Kaum Fenster, und wenn sind sie zu klein. Das warme Licht geht andauernd aus und gibt dem kalten Schatten Raum zur Entfaltung. Das Publikum verliert mit jeder Minute die es in diesem haus verbringt immer mehr die Orientierung. Das Gefühl für Größe verschwindet, die Architektur erscheint unberechenbar und irgendwann nur noch furchteinflößend.
Gezielte Schockmomente und vereinzelte Härten
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Diese Furcht geht aber nicht nur vom Gemäuer selbst aus, sondern davon wie Scott Beck und Bryan Woods dieses in Szene setzen. Die Kameraarbeit hat einen nicht geringen Anteil daran, dass sich ein Gefühl des Unwohlseins beinahe zwingend breit macht. Immer wieder wird in dunkle Ecken geblickt, immer wieder geschehen wichtige Dinge im Hintergrund. Es wird genau darauf geachtet, dass bestimmte Ereignisse nicht zu sehen sind, ohne dass die Ablenkung für das Publikum zu offensichtlich erscheint.
Die Gewalt kommt dann unmittelbar. „Heretic“ ist hierbei weit vom Blutgehalt vieler anderer Genrevertreter entfernt. Im ganzen Film können die physischen Gewaltakte an einer Hand abgezählt werden. Doch die brennen sich ins Gedächtnis. Sie kommen unerwartet, sind dafür aber ziemlich brutal. Der Atem stockt kurz. Auf diese Weise erzeugt „Heretic“ insbesondere in der zweiten Hälfte ein sehr visuelles Grauen mit teils abstoßenden Szenen, für die Gewalt nicht einmal von Nöten ist.
Fazit zu „Heretic“:
„Heretic“ liefert genau das ab, was das Marketing verspricht. Eine einmalige Hugh Grant Show, die einfach Freude bereitet, solange nicht zu intensiv über den Inhalt nachgedacht wird. Darüber hinaus verblüffen Scott Beck und Bryan Woods auch noch mit überaus kompetent inszeniertem Horror. Rein als Horrorthriller macht „Heretic“ vieles richtig. Lediglich der Umstand ein A24 Film zu sein, welcher dem zentralen Thema sehr viel Raum gibt, wird dem Film zum Verhängnis. Inhaltlich hat das Gesagte oft weder Hand noch Fuß.
Wer sich nun einfach nur einen verstörenden Horrorthriller erhofft, der sich etwas vom Genrestandard abhebt, der oder die wird vollkommen zufrieden sein. Wenn das inhaltlich Potential jedoch ausgeschöpft werden soll, könnte der Kinosaal mit gemischten Gefühlen oder wie in meinem Fall etwas enttäuscht verlassen werden.
Werdet ihr euch „Heretic“ im Kino ansehen?
TRAILER: ©Plaion Pictures | A24
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FLORIAN – Filmkritiker
Meine Leidenschaft begann wohl schon recht früh in meiner Kindheit, als ich erstmals die Karl May Verfilmungen der 60er Jahre von Rialto Film sah. Daraufhin erforschte ich klassische und modernere Filmreihen von Star Wars bis hin zum Marvel Cinematic Universe. Irgendwann wurde aus der Lust nach Abenteuer und Action eine Liebe zum Medium Film, die mich auch abseits der berühmten Blockbuster auf faszinierende Reisen schickte. Seit Juli 2020 bin ich auf Letterboxd aktiv und erweitere seither meinen Horizont beständig. Daraus entwickelte sich seit der Sichtung von „RRR“ und dem Kinobesuch von „Jawan“ eine Liebe für das indische Kino. Offen bin ich abseits dessen für nahezu alle Jahrzehnte und Genres, lediglich amerikanischen Komödien bleiben ich am liebsten fern.
Pressestimmen zu „Heretic“:
Kai Mihm von epd film
Hugh Grant konfrontiert als »ketzerischer« Finsterling zwei mormonische Missionarinnen mit wahrhaft höllischen Ideen
Ein Text von Théo Metais; übersetzt aus dem Französischen von Cineman
«Heretic» schmückt sich mit einer verhängnisvollen Metaphysik, die die Zähne knirschen lässt. Wir können dir nur noch viel Glück auf dieser filmischen Reise wünschen.
Oliver Armknecht von Film-rezensionen.de
„Heretic“ folgt zwei jungen Missionarinnen in das Haus eines älteren Manns, der ganz andere, fiese Absichten hegt. Der Film ist zwar ein bisschen lang geraten, zumal erst spät überhaupt etwas geschieht. Und doch macht der Horrorthriller rund um religiöse Diskussionen Spaß, auch weil Hugh Grant in seiner Rolle völlig aufgeht. 7 von 10 Punkten.
Christian Klosz von Film Plus Kritik
Psycho-Horror für Fans von subtiler Suspense: Hugh Grant überzeugt in „Heretic“ in ungewohnter Rolle als Bösewicht, der den Film über weite Strecken allein auf seinen Schultern trägt. Die dahinterliegende Geschichte über das Wesen des Glaubens kann allerdings nur bedingt überzeugen. Für Genre-Freunde trotzdem eine Sichtung wert. 7 von 10 Sternen.
Pressematerial: Heretic | 2024 ©Plaion Pictures | A24