„Mr. Nobody“ ist Philosophie, visuell verpackt. Mehr dazu in der Filmkritik zu Jaco van Dormaels „Mr. Nobody mit Jared Leto und Diane Kruger.
Ein Beitrag von: Riley Dieu Armstark
Worum geht es in „Mr. Nobody“?
“Mr. Nobody”, ist ein Science-Fiction-Drama von Jaco van Dormael mit Jared Leto, Diane Kruger und Sarah Polley.
Nemo Nobody (Jared Leto) ist der letzte richtige Mensch in einer utopischen Welt. Als letzter Sterbliche einer Bevölkerung, die dank zellbiologischer Weiterentwicklungen unsterblich geworden ist, ist er ein Phänomen, das die Medien bewegt. Er entscheidet sich gegen das ewige Leben und so liegt er nun im Sterben. Sein letzter Begleiter ist ein junger Journalist (Daniel Mays), der eine Sensation aus Nemos Leben ziehen will und bittet ihm, davon zu berichten.
Gibt es mich wirklich?
„Alles was wir sehen gibt es auch, weil wir es ja sehen können!“ Ich sehe meine Hände, aber nicht meinen Körper. Gibt es mich wirklich?“
– Mr. Nobody
Diese Frage stellte ich mir als Kind auch immer und noch heute mache ich mir Gedanken darum. Warum erblicke ich aus genau diesen Augen? Warum bin ich ich? Wieso bin ich eine Frau und kein Mann? Warum besitze ich diesen Körper und keinen anderen? Warum lebe ich dieses Leben und kein anderes? Alles Fragen, auf die niemand eine Antwort kennt.
Täglich stehen wir an Wegeskreuzungen, täglich müssen wir Entscheidungen fällen. Aber welche ist die Richtige und welcher ist der richtige Weg, das richtige Leben? Egal welchen Weg wir nehmen, es wird immer der richtige sein. Denn alle Entscheidungen, die wir treffen, haben wir nicht nur selbst gewählt, sondern beeinflussen auch unseren weiteren Werdegang. Alles geschieht aus einem Grund, alles ist eine Aneinanderreihung von Kettenreaktionen. Am anderen Ende der Stadt kocht ein Mann ein Ei statt zur Arbeit zu gehen und wenige Tage später führt es zu einem Wolkenbruch, der verursacht, dass ein Mann, der einen Zettel mit der Telefonnummer der Frau seines Lebens in der Hand hält, diese verliert, da die Aufschrift des Zettels verwischt. Wäre ich gestern nach links statt nach rechts gegangen, wen hätte ich stattdessen getroffen, was hätte ich anderes erlebt?
Entscheide weise oder gar nicht
Ist die Entscheidung gefallen, kann man nicht mehr zurück, fällt man jedoch keine, stehen noch alle Möglichkeiten offen.
Jaco van Dormael (Le huitième jour) befasste sich zunächst in einem Kurzfilm mit diesem Thema, bis er sich schließlich doch dazu entschied, diese Thematik in einen Film zu packen. Als er mit der ersten Ausarbeitung fertig war, war er jedoch ein wenig von dem Thema des damaligen Films abgewichen und sprach sich vorerst auch gegen eine Produktion aus, da sich Filme wie „Butterfly Effect“ und „Lola rennt“ schon mit ähnlichen Motiven befassten. Schließlich begann im Februar 2007 doch die Vorproduktion mit dem Casting der 28-jährigen Sarah Polley (Take This Waltz), woraufhin weitere Hauptdarsteller:innen folgten. Somit begannen am 4. Juni 2007 die 25 wöchigen Dreharbeiten zu „Mr. Nobody“.
Mit „Mr. Nobody“ musste ich erst einmal warm werden, empfand ihn damals sogar als recht langweilig. Doch je öfter ich diesen Film sehe um so mehr gefällt er mir. Nicht nur die fantastische Geschichte machen den Film zu etwas besonderem, nein er glänzt auch mit einem ausgezeichnetem Cast und man entdeckt jedes Mal neue Erkenntnisse oder Kleinigkeiten in den Kulissen, die begeistern. Van Dormael spielt hier vor allem mit Kameratechniken, aber auch mit Farben und Perspektiven. Je nachdem welche Wahl sein Hauptcharakter Nemo Nobody (Jared Leto, Toby Regbo: 15-jähriger Nemo und Thomas Byrne: achtjähriger Nemo) trifft, so haben die Kulissen immer andere Farben.
Farbgebung des Films
In der Zeit, in der Nemo acht ist, ist noch alles bunt, da er ein Kind ist, aber auch noch keine schwerwiegende Entscheidung treffen musste. Diese tritt ein, als sich seine Eltern scheiden lassen wollen und ihm die Frage gestellt wird, ob er nun zu Mutter (Natasha Little) oder zu Vater (Rhys Ifans) wolle.
Ab diesem Abschnitt beginnt eine kreative Reise eines Erzählers, der sich mit der Chaostheorie beschäftigt. Nemo wählt einmal ein Leben bei seiner Mutter, später mehr oder weniger durch einer Kette Zufälle, ein Leben bei seinem Vater. Außerdem heiratet er auch drei Frauen, deren gemeinsames Leben einmal in Gelb mit Jeanne (Linh Dan Pham), einmal in Blau mit Elise (Sarah Polley) und einmal in Rot mit Anna (Diane Kruger) erzählt wird. In diesen verschiedenen Leben wechselte Jaco van Dormael auch die Kameratechnik, so wurde im Leben mit Elise größtenteils eine Handkamera verwendet und oft mit Unschärfen gearbeitet, da Nemo und Elise eine unmerkbare Distanz haben.
Faszinierend ist die Arbeit in den Szenen mit Jeanne, denn diese ist oft nur unscharf und schemenhaft zu erkennen, da Nemo, Jeanne nicht so richtig wahrzunehmen scheint. Hier wurden meist Nahaufnahmen des Hauptdarstellers genutzt. Somit gewinnt der Film für mich immer mehr Anreiz was den künstlerischen Aspekt angeht.
Kleine Metaphern und Details
Vor allem aber sind es die kleinen Metaphern, die in jedem Bild stecken, die mich den Film mittlerweile lieben lassen. Alles ist wichtig, der Finger auf den Zeigern einer Uhr, ein Blatt, das vom Wind getragen wird und schließlich auf dem Fußweg landet und Nemos Vater zum Ausrutschen veranlasst. Das Blatt dient in meiner Interpretation wohl dazu, um zu signalisieren, wie ein kleines Detail unser Leben verändern kann. Auch spielt das Element Wasser in Nemos Leben eine große Rolle. Entweder ertrinkt er darin, weil er nicht schwimmen kann oder es beginnt zu regnen und beendet somit vorzeitig seinen Weg zum Glück. Vielleicht symbolisiert hier das Wasser den Fluss des Lebens, wir entstehen im Fruchtwasser der Mutter, bestehen aus Wasser und unser Leben ist eine fließende Antriebswelle, das viele Abzweigungen hat wie ein Fluss.
Traumhaft schöner Soundtrack
Traumhaft schön ist auch der Soundtrack, der neben dem fantastischen „God yu tekkem laef blong mi“ auch jede Menge alter Klassiker wie „Mr. Sandman“ von The Chordettes beinhaltet. Einziger Dorn in meinem Auge ist „99 Luftballons“ von Nena. Ich weis nicht was man mit diesem Song hat? Auch in „Watchmen“ passte er nicht so recht rein.
„Mr. Nobody“ erzählt jedoch nicht nur von einem Jungen, der vor einer Entscheidung steht und von einem Mann, der gar nicht zu existieren scheint, sondern beschäftigt sich auch mit der Liebe. So taucht egal in welcher Lebensphase Nemo sich gerade befindet, immer Anna (Diane Kruger) auf und zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben.
„Bevor wir geboren werden, wissen wir alles! Alles, was geschehen wird. Wenn man an der Reihe ist, legen einem die Engel des Vergessens einen Finger auf den Mund „Schschsch“. Das hinterlässt einen Abdruck auf der Oberlippe und das bedeutet, dass man alles vergessen hat …“
– Mr. Nobody
Philosophische Fragen in „Mr. Nobody“
So ist unser Leben bereits vorbestimmt und so ist es wohl auch bestimmt, dass Anna in Nemos Leben ist. Wieviel Einfluss haben wir selbst und was ist dem Zufall überlassen? Gibt es Zufälle? Warum geht die Zeit nur vorwärts, aber niemals kann man wieder zurück? Sobald man eine Entscheidung getroffen hat, gibt es kein Zurück mehr, man muss es so nehmen, wie es dann kommt. Und immer fragen wir uns anschließend, ob wir richtig gehandelt, richtig gewählt haben.
Im Grunde war die Wahl immer die Richtige, denn wir haben es so bestimmt und unser Leben kreieren wir selbst, sind selbst dafür verantwortlich. Vielleicht erinnern wir uns aber auch nur ganz kurz an die Zeit, bevor wir geboren wurden und wählen deshalb so, weil wir schon wussten, was geschehen würde. Zum Guten oder zum Bösen hin.
Jared Leto (Dallas Buyers Club) meistert auch diese Rolle mit Bravour. An seiner Seite, Diane Kruger (Toja), die gekonnt das jungendliche und erwachsene Leben von Anna verknüpfen kann. Rhys Ifans (Notting Hill), Natasha Little (Welcome to the Punch), Linh Dan Pham (Ninja Assassin), Toby Regbo (Maleficent), Juno Temple (Far from the Madding Crowd) und Thomas Byrne füllen den übrigen Cast, harmonieren nicht nur fantastisch, sondern hauchen ihren Charakteren gekonnt Leben ein und füllen diese perfekt aus. Sarah Polley (Splice) glänzt besonders in ihrer Darbietung der depressiven Elise.
Ich kann mich gut mit dem Film identifizieren. Nicht nur wie Anfangs erwähnt, dreht sich oft mein ganzes Denken um diese Sache „Was wäre wenn?“ und „Warum bin ich?“, sondern stand auch ich einmal vor der Frage, gehe ich zu Mom, oder zu Dad. Oft frage ich mich, hätte ich anders entschieden, wie wäre mein Leben dann verlaufen?
Wie hat euch der Film „Mr. Nobody“ gefallen?
TRAILER: ©Concorde Filmverleih GmbH | Tuberailer
Dieser Text nahm an der Moviepilot Gewinnspielaktion „AKTION LIEBLINGSFILM 2015“ teil.
Unterstützt uns!
Dir gefällt was wir machen? Dann supporte uns! Kommentiere, teile und like unsere Beiträge auch in Social Media oder spendiere uns einen KAFFEE ☕. Mit deiner Unterstützung sorgst du dafür, dass die Seite weiter betrieben werden kann.
Der Beitrag enthält Affiliate Links von Amazon. Bei einem Kauf ändert sich für dich nichts, du unterstützt lediglich dadurch unsere Arbeit. Außerdem Links zu den Streamingdiensten Netflix und Disney+. Auch hier ändert sich nichts für dich bei einem Abo-Abschluss und es zwingt dich niemand dazu. Dafür bekommen wir auch nichts. Dies dient nur dazu, dass du gleich Zugriff auf den besprochenen Film hast, ohne noch einmal extra auf die Streamingseite gehen zu müssen.
RILEY – Chief Editor
Ich blogge seit dem 14. Dezember 2014 auf passion-of-arts.de. Schon in meiner Jugend schrieb ich viele Gedichte und Kurzgeschichten. Seit ca. 14 Jahren widme ich mich professionell Filmrezensionen und war Gastschreiber:in bei der Filmblogseite „We eat Movies“. Außerdem verfasste ich einige Artikel für das 35 MM Retro-Filmmagazin. Ich sterbe für Musik und gehe liebend gerne ins Kino, außer in 3D. TV ist überbewertet, ich gucke lieber DVD, Streaming oder Bluray. Meine Lieblingsfilme sind unter anderem „Titanic“, „Herr der Ringe“ und „Back to the Future“.
10 Kommentare
Toller Text. Man merkt richtig wie die ganzen Fragen und Gedanken aus dir heraus sprudeln, weil der Film einfach so viel hergibt 🙂 find den auch unglaublich 🙂
Danke 🙂
Der Film ist fantastisch, ich such jedes Mal nach Anhaltspunkten und überlege was dieses und jenes zu bedeuten hat 🙂
Ich hab den leider erst viel seltener als ich gern würde gesehen (nur 2 Mal), aber verstehe genau was du meinst und empfinde das Schauen dieses Werkes ein wenig wie schweben 🙂
Yep, fantastischer Film. Bei mir gab es bei der bisher einzigen Sichtung zwar noch einen Punkt weniger, doch Potential ist auf jeden Fall vorhanden… 🙂
Beim ersten Mal der Film bei mir total abgeloost xD
Mittlerweile ist er ein Lieblingsfilm *___* ich weis nicht warum ich den vorher nicht zu schätzen wusste.