Diese Woche schlagen die Uhren meiner Stadt Braunschweig anders!
Für das Braunschweig International Film Festival verwandelt sich die Innenstadt für eine Woche in ein einziges Kulturviertel. Von der Langen Straße bis ins Magniviertel. Die Kaffees und Restaurants gefüllt mit Filmschaffenden und Fans, so wie die 10 Säle, die in der Innenstadt verteilt sind. Ob in der Petri Kirche, dem Staatstheater, dem roten Saal des Braunschweiger Schlosses oder natürlich unsere beiden heimischen Kinos.
Das Astor Filmtheater, ein premium multiplex, wird für den verlauf der Woche halbiert. Eine Hälfte hält den Blockbuster Kinobetrieb aufrecht, die andere Hälfte wird zur Festivalzentrale. Und unser Programmkino, das diese Tage förmlich vor Überfüllung platzt. Eine die zum Stadtleben dazu gehört, wie die Scharen an Fußballfans, die am Wochenende zum Stadion pilgern. So strömen die intellektuellen Massen in dieser Woche durch die Innenstadt in die Kinosäle, um anspruchsvolles, internationales Kino auf dem Braunschweig International Film Festival zu sehen.
Der Auftakt des Braunschweig International Film Festival
Ich bin dieses Jahr das 3. Mal auf dem Braunschweig International Film Festival unterwegs. Nachdem ich im Jahr 2021 nur für den neuen Edgar Wright Film “Last Night in Soho” hingegangen bin, der auf dem Festival seine Deutschlandpremiere feierte, war ich angefixt und habe mir im letzten Jahr das erste Mal komplett Urlaub für das Festival genommen. Ich habe 7 Filme gesehen, darunter Park Chan-Wooks “Die Frau im Nebel” (Decision to Leave), was mit Abstand mein Highlight der Woche wurde.
Dieses Jahr darf ich euch für Passion of Arts durch mein heimisches Filmfestival begleiten und euch ein paar Einblicke geben. So stand ich gestern vor der Volkswagenhalle in einer langen Schlange mit ca. 5000 Filmbegeisterten und wartete auf den Einlass. Das Publikum war bunt gemischt, die Halle bis auf wenige Plätze ausverkauft. Nachdem wir die Formalitäten hinter uns lassen konnten, kamen wir auch zum eigentlichen Grund, warum jeder gespannt auf den relativ beengten Plätzen der Halle warteten.
Die rote Schildkröte
Der Studio Ghibli Film “Die rote Schildkröte” aus dem Jahr 2016 wurde das erste Mal in einer neuen Fassung aufgeführt. Der Komponist Laurent Perez del Mar saß mit im Publikum und durfte selbst das erste Mal seinen Score live zum Film hören. Hierfür hatte er extra den Score auf das Ensemble des Brauschweiger Staatstheater umgeschrieben. Diese Leistung wurde mit einem Minuten Langen Applaus belohnt. Weit über den Abspann hinaus wurden ihm Standing Ovation geschenkt. So lang, dass ich schon aus der Halle war, bevor der Schwall des Applaus abebbte.
Doch lasst mich euch meinen Eindruck vom Michael Dudok de Wits Animationsfilm geben.
Der Film, der sich bis auf wenige emotionale aufschreie gänzlich ohne Dialog auskommt und durch seine Filmmusik spricht, war die vielleicht perfekte Wahl für solch ein Filmkonzert. Die Musik stand im Vordergrund und komplimentierte die dazu eingespielten Soundeffekte, wie das konstante Rauschen des Meeres. Der Animationsstiel ist niedlich simple im Stiel von Ukiyo-e und Ligne claire gehalten. Dies wirkt so einzigartig und so minimalistisch, dass es genug Platz für die Musik gibt und eher subtil die Handlung erzählt.
Worum geht es in “Die rote Schildkröte”?
Die Handlung des Films ist übrigens nicht so einfach zusammenzufassen, doch lass es mich versuche:
Ein Schiffbrüchiger versucht von einer Insel zu fliehen, doch wird von einer roten Schildkröte abgehalten. Also beschließt er mit der Schildkröte sein Leben fortan auf der Insel zu verbringen. Wir begleiten den Protagonisten bei seinem Leben auf der Insel, den Höhen und den Tiefen. Der Film handelt von allem: von Frust, von Lieben, von Angst, von Freude. Er hat diese eigenartige geniale Ambivalenz, mit der er effektiv nichts erzählt und gleichzeitig über alles erzählt.
Fazit:
Ich war begeistert und kann einfach nicht aufhören, über den Film nachzudenken. Der Film berührt einen genau an der Seele, am Herzen und lässt einen mit fiebern, mittrauern. Und das ein oder andere mal die Augenbraue nach oben zucken. Ich kann euch den Film wirklich nur empfehlen!
Damit beendete ich aber auch schon den ersten Tag des Festivals. Morgen wird es weitaus vielseitiger. Es stehen vier Filme auf meinem Plan. Wer mich gerne auf dem Festival direkt verfolgen möchte, schaut auf unserm Instagram Profil vorbei. Dort bekommt ihr Einblicke in meinen Festival Alltag und meine direkten Gedanken nach dem Verlassen der Kinosäle.
Heute geht es schon früh los! Mein erster Slot sollte um 11:30 Uhr mit “And the King Said, What a Fantastic Machine” beginnen, worauf ich mich sehr gefreut hatte und ihr heute darüber lesen solltet. Leider ist der Film nur für Schüler*innen und Student*innen zugänglich, da es sich hierbei um eine Schüler*innen Veranstaltung handelt. War im Programm leider nicht so ersichtlich. Den Film kann ich aber am Samstag nachholen, da wird er für alle zugänglich sein. Daher gibt es ein paar Planänderungen, was mein ursprüngliches Programm betrifft. So beginnt meine erste Vorstellung erst heute Abend um 18.00 Uhr mit “Es brennt“. Stay tuned! 🔥
TRAILER: ©LEONINE Studios
LENNART – Autor
Seit November 1995 mache ich das Internet unsicher und nachdem ich viel zu früh gesehen habe, wie ein Anwalt von einem Tyrannosaurus-Rex gefressen wurde, ein Feuchtfarmer die Galaxy rettet und ein Waisenjunge erfährt, dass seine Eltern Zauberer waren, seitdem ist es um mich geschehen. Filme sind für mich das Medium Nummer 1, auch wenn ich so gut wie jeder Form von Kunst etwas abgewinnen kann, ist es das bewegte Bild, das mein Herz am meisten eingenommen hat. Abgesehen vom American Football, der mich 22 Jahre begleitet hat und durch Filme wie “Remember the Titans” meine eigenartige Vorliebe für den Sportfilm geweckt hat, weswegen man mich auf Letterboxd nur als den Coach kennt.
4 Kommentare
“Die Rote Schildkröte” ist ein absolut wundervoller Film, den ich im Januar 2017 bei meinem “Heim-Festival”, dem Internationalen Filmwochenende in Würzburg, auf der großen Leinwand erleben durfte. Die genial einfache Geschichte und das Zusammenspiel mit der wunderschönen Musik haben mich mehrfach zu Tränen gerührt. Ich kann mir vorstellen, dass der Effekt mit einem Live-Orchester noch intensiver sein dürfte.
https://www.kino.vieraugen.com/kino/die-rote-schildkroete/
Die Rote Schildkröte ist solch ein klasse Film. Dreimal habe ich mir den schon angeschaut.
@wortman Ich erst einmal und ja ich fand ihn auch toll. Mit Live Orchester ist das bestimmt nochmal cooler.
Das garantiert. Mit Live Orchester würde ich den auch gerne nochmal sehen.