Manchmal ist Kino mehr als nur ein Film – es ist ein Ort, an dem wir unsere tiefsten Emotionen spüren, wo Geschichten uns daran erinnern, wie kostbar die Zeit ist, die wir mit unseren Liebsten teilen. We Live in Time von John Crowley nimmt genau diese Gefühle ins Visier und erzählt eine bewegende Geschichte über Liebe, Verlust und die Vergänglichkeit des Lebens. Montag Abend hatte ich die Gelegenheit, dieses Drama mit meiner schwangeren Freundin zu sehen. Und was als einfacher Kinobesuch begann, wurde zu einem zutiefst emotionalen Erlebnis, das uns beide noch lange beschäftigen wird.
Ein Beitrag von: Lennart Goebel
Worum geht es in „We Live in Time“?
„We Live in Time“ ist ein Liebesdrama von Regisseur John Crowley, das 2024 im Vereinigten Königreich und Frankreich produziert wurde. Das Drehbuch stammt von Nick Payne. Der Film erzählt die Geschichte von Almut (Florence Pugh) und Tobias (Andrew Garfield), deren Leben sich grundlegend verändert, als sie sich begegnen. Sie verlieben sich, bauen ein Haus und gründen eine Familie. Doch das Glück wird erschüttert, als Almut eine schreckliche Diagnose erhält.
Kino: Ein Raum für Emotionen
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Kino ist für mich weit mehr als nur ein Ort, an dem Filme gezeigt werden. Es ist ein Raum, in dem Emotionen Gestalt annehmen dürfen. Hier kann ich meine Gefühle frei fließen lassen, ohne sie zurückhalten zu müssen. Besonders dann, wenn ein Film uns als Menschen anspricht. Die Schönheit des Lebens feiert und uns gleichzeitig mit der Endlichkeit dieser Schönheit konfrontiert.
Montag Abend war ein solcher Moment. Nach viel Trubel um den Jahreswechsel, von Feiertagen über das Ende der regulären NFL Saison und natürlich dem Kinostart von Nosferatu, hatten ich und meine schwangeren Freundin einen unverplanten Abend. Und wir entschieden uns wie könnte es anders sein, diesen besonderen Abend im Kino zu verbringen. Kino ist für uns ein Ort mit ganz eigener Bedeutung. Hier hat unsere gemeinsame Reise vor Jahren begonnen. Wir haben uns zusammen Scream VI an unserm ersten Date angesehen. Vielleicht schreibe ich mal eine Kritik zum Jahrestag. Somit sind unsere Kinodates eine kleine Beziehungstradition. Wir gehen etwas essen probieren etwas neues auf der Karte und gucken im Anschluss zusammen einen Film. Doch dieses Mal war es irgendwie anders. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass diese Abende in naher Zukunft für einige Zeit noch deutlich seltener werden könnten.
We Live in Time ist eine blendende Wahl für einen Kinobesuch
Den Film durfte sie aussuchen. Ich bin da nicht sonderlich wählerisch, solange Michael Bays Name nicht auf dem Poster steht. Doch We Live in Time stand tatsächlich auch auf meiner Watchlist. Der Trailer hatte mich überzeugt – ein emotionales Liebesdrama mit zwei meiner absoluten Lieblingsdarsteller: Andrew Garfield und Florence Pugh. Schon während wir uns die Karten kauften, hatte ich eine Ahnung, dass dieser Film uns nicht unberührt lassen würde. Am Popcornschalter griff ich provisorisch einen großen Batzen Servietten und steckte sie in Leonies Handtasche. Was ich nicht erahnt habe war wiederum, wie intensiv der Film tatsächlich werden würde.
Eine Geschichte über Liebe, Verlust und die Zeit dazwischen
We Live in Time ist ein Film über das Leben. Und darüber, wie wir mit der Zeit umgehen, die uns bleibt. Es ist ein achronologisches Liebesdrama, das in zwei parallel verlaufenden Handlungssträngen erzählt wird. Der eine Strang zeigt die Anfänge einer zarten, aufblühenden Liebe. Während der andere uns das unvermeidliche Ende dieser Beziehung vor Augen führt.
Der Film wechselt zwischen diesen beiden Ebenen. Und zeigt dabei, wie Liebe erblüht und wie der Drang in Erinnerung zu bleiben diese Strapaziert. Dabei stellt er die entscheidende Frage: Was macht das Leben lebenswert? Ist es die Länge der Zeit, die wir miteinander verbringen, oder die Qualität der Momente, die wir teilen?
Diese Struktur hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Die Szenen aus der glücklichen Anfangszeit sind voller Leichtigkeit und Wärme – Momente, die einen zum Schmunzeln bringen und an die eigenen Erfahrungen aus der Kennenlernphase erinnern. Gleichzeitig ist da aber auch die Schwere des Endes, die wie ein drohender Schatten über allem liegt. Es ist, als würde man gleichzeitig lachen und trauern.
Ich habe immer wieder den Blick zu meiner Freundin schweifen lassen und sie tat dasselbe. Wir wussten beide, dass der Film uns emotional fordern würde. Und als der Abspann lief, waren unsere Taschentücher schon längst durchweicht.
Persönliche Momente und die Stärke des Casts
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Einer der Gründe, warum dieser Film für mich so funktioniert hat, liegt in der Besetzung. Andrew Garfield und Florence Pugh sind nicht nur zwei der talentiertesten Schauspieler:innen ihrer Generation, sondern auch zwei Persönlichkeiten, die ich sehr bewundere. Garfield hat diese charmante, verletzliche Seite, die man einfach nicht ignorieren kann. In Tick, Tick… Boom! hat er bereits bewiesen, dass er Emotionen in jeder Nuance ausdrücken kann.
Florence Pugh wiederum beeindruckt mich immer wieder mit ihrer Fähigkeit, große Emotionen mit leisen, subtilen Momenten zu verbinden. Sie hat diese einfühlsame Präsenz, die dafür sorgt, dass man in jeder Szene mit ihr mitfühlt. Aber auch diesen fokussierten und stoischen Blick den sie sehr gut einzusetzen weiß. Gemeinsam schaffen die beiden es, die Beziehung zwischen ihren Figuren authentisch und greifbar zu machen – auch wenn ich zugeben muss, dass ihre romantische Chemie nicht ganz perfekt war. Auf einer platonischen Ebene harmonieren sie dafür umso besser, was besonders in den humorvollen Momenten deutlich wird.
Wenn die Grenze zwischen Film & Realität kurz verschwimmt
Während einer Szene, in der die beiden Figuren gemeinsam in einem kleinen Café saßen und sich über die kleinen Dinge des Lebens unterhielten, konnte ich nicht anders, als an unsere eigenen Gespräche zu denken – an die vielen Stunden, die wir damit verbracht haben, einfach nur über das Leben zu reden. Es war einer dieser Momente, in denen die Grenze zwischen Film und Realität für einen Augenblick verschwommen sind und ohne das ich es merkt mein Blick sich von der Leinwand abwanderte.
Die Schwächen des Films: Visuelle Zurückhaltung
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Visuell ist We Live in Time kein Meisterwerk, sondern eher funktional inszeniert. Die Schauplätze – Wohnungen, Parks, Restaurants – sind zwar atmosphärisch stimmig und passend zur Geschichte gewählt, wirken jedoch insgesamt wenig markant. Es fehlt eine eigenständige Bildsprache, die den emotionalen Kern der Geschichte auf visueller Ebene intensiver transportieren könnte. Stattdessen bedient sich der Film einer Ästhetik, die stark an Produktionen von A24 erinnert. So hochwertig diese Optik anfangs wirkt, so sehr habe ich mich daran mittlerweile sattgesehen. Sie ist zwar solide, bringt aber keine frischen oder erinnerungswürdigen Impulse mit.
Dennoch gibt es einzelne Momente, die sich hervorheben – allen voran eine Szene, die trotz ihrer Einfachheit und ihres klassischen Ansatzes eine starke Wirkung erzielt hat. Die Kamera folgt in einer geschmeidigen Bewegung einer schließenden Tür, an die sich die beiden Liebenden auf jeweils entgegengesetzten Seiten anlehnen. Dieses Motiv, das so alt ist wie die Theaterkunst selbst, mag auf den ersten Blick nichts Neues bieten, doch in der Art und Weise, wie es hier umgesetzt wurde, hatte es für mich eine spürbare emotionale Kraft. Die Kameraführung und der ruhige Schnitt verleihen dieser Szene eine Intensität, die für einen kurzen Augenblick das ansonsten durchschnittliche visuelle Niveau des Films überragt. Es war ein kleiner Lichtblick in einer ansonsten eher nüchternen Inszenierung.
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Fazit zu „We Live in Time“:
We Live in Time hat uns als Paar tief berührt. Der achronologische Erzählstil und die herausragenden Darstellungen von Garfield und Pugh machen ihn zu einem emotional intensiven Erlebnis. Zwar hätte ich mir visuell mehr gewünscht, und der dritte Akt verliert etwas an narrativer Spannung, aber die Botschaft des Films bleibt klar: Die Zeit, die wir miteinander verbringen, ist kostbar.
Als wir das Kino verließen, sprachen wir kaum. Hand in Hand gingen wir nach Hause, tief in Gedanken versunken. Die Tränen, die wir vergossen hatten, fühlten sich nicht wie Trauer an, sondern wie eine Reinigung – ein Moment, um innezuhalten und dankbar zu sein.
Dieser Film wird mir in Erinnerung bleiben, nicht nur wegen seiner Geschichte, sondern wegen des Abends, den wir miteinander verbracht haben. Kino ist für mich ein Ort der Emotionen, und We Live in Time hat das noch einmal eindrucksvoll unterstrichen.
Werdet ihr euch den Film „We Live in Time“ ansehen?
TRAILER: ©StudioCanal
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LENNART – Autor
Seit November 1995 mache ich das Internet unsicher und nachdem ich viel zu früh gesehen habe, wie ein Anwalt von einem Tyrannosaurus-Rex gefressen wurde, ein Feuchtfarmer die Galaxy rettet und ein Waisenjunge erfährt, dass seine Eltern Zauberer waren, seitdem ist es um mich geschehen. Filme sind für mich das Medium Nummer 1, auch wenn ich so gut wie jeder Form von Kunst etwas abgewinnen kann, ist es das bewegte Bild, das mein Herz am meisten eingenommen hat. Abgesehen vom American Football, der mich 22 Jahre begleitet hat und durch Filme wie „Remember the Titans“ meine eigenartige Vorliebe für den Sportfilm geweckt hat, weswegen man mich auf Letterboxd nur als den Coach kennt.
Andere Meinungen zu „We Live in Time“:
Yannick Vollweiler von film-rezensionen.de
Mit „We Live in Time“ erfindet John Crowley das Rad nicht neu, sondern greift Fragen auf, die das Publikum bereits aus anderen romantischen Dramen kennt. Der Film strotzt vor Klischees und wirkt stellenweise unstrukturiert inszeniert. Dennoch kann man sich der Herzlichkeit, die vor allem durch die schauspielerischen Höchstleistungen von Florence Pugh und Andrew Garfield transportiert wird, kaum entziehen. Die Chemie zwischen den beiden gleicht die Schwächen des Films nicht nur aus, sondern macht „We Live in Time“ zu einem der besten romantischen Dramen des Jahres. 8 von 10 Punkte.
Andreas Köhnemann von Kinozeit
Es gelingt dem Film aber hervorragend, eine zwingende emotionale Logik zu entwickeln, um uns diese komplizierte erwachsene Beziehung näherzubringen. Einen wesentlichen Beitrag daran haben die Leistungen von Andrew Garfield und Florence Pugh, die durch ihre tolle Chemie miteinander alle Augenblicke des Glücks, der Verblüffung und der Traurigkeit lebendig werden lassen.
Anke Sterneborg von epd film
Der irische Regisseur John Crowley (Brooklyn) erzählt mit Florence Pugh und Andrew Garfield in den Hauptrollen die Chronik einer Liebe. Im Geflecht aus Rückblenden geht es um fragile Gefühle und die Flüchtigkeit des Glücks. 4 von 5 Sterne.
Ein Text von Maxime Maynard; übersetzt aus dem Französischen von Cineman
Es ist klar, dass dieser neue Spielfilm nicht den üblichen Qualitätsstandard von A24 erreicht. Dennoch strahlt er eine spürbare Menschlichkeit aus, die durch die Kameraarbeit von Stuart Bentley stimmungsvoll untermalt wird. So wird «We Live in Time» trotz seiner geringen Einzigartigkeit den Weg auf die Watchlists aller Romantiker:innen finden.
Kamil Moll von Filmstarts
Zwischen Beziehungsromanze und Krankheitsdrama gelingt John Crowley mit „We Live In Time“ ein routiniertes Melodram, das von einer erfreulich unkitschigen Leichtigkeit getragen wird. 3,5 von 5 Sterne.
Pressematerial: We Live in Time | 2024 ©StudioCanal