Biff 37 Tag 5 – Tränen am Nordpol und Nächtliche Kurzfilme

Tränen am Nordpol und Nächtliche Kurzfilme

Am 5. Tag des Braunschweig International Film Festivals beginnt mein Tag erneut mit einem Cappuccino in der Kult-Location „Café Zeit“. Daraufhin wandere ich durch den kalten Wind die Straße hinunter zum Universum Kino, wo mir sehr schnell warm ums Herz wird. Heute gibt es Tränen am Nordpol und Nächtliche Kurzfilme.

Tränen am Nordpol mit „Titina – Ein tierisches Abenteuer zum Nordpol“

Tränen am Nordpol und Nächtliche Kurzfilme: Das Bild zeigt einen Mann ohne Haare und struppigen, weißen Bart. Er hat da Bullauge eines Schiffes geöffnet und hält einen kleinen Hund hinaus.
„Titina – Ein tierisches Abenteuer zum Nordpol“ ist ein wunderschöner Film, der sich auf wahre Begebenheiten stützt — Titina – Ein tierisches Abenteuer zum Nordpol | 2022 ©Grandfilm

… war der einzige synchronisierte Film des Braunschweig International Film Festival, da er in der Reihe der Kinder- und Jugendfilme läuft. So saß ich mit einigen Eltern, ein paar anderen Festivaldauergästen und einer großen Anzahl von Kindern in dem kleinen Kinosaal des Universum Kinos. Und durfte einen wunderschönen kleinen Film sehen, der, wie viele andere Filme dieses Wochenendes, sich auf wahre Begebenheiten stützt. „Titina – Ein tierisches Abenteuer zum Nordpol“ erzählt von der Hündin Titina, einem Straßenhund aus Rom. Zusammen mit ihrem Herrchen, dem Luftschiffsingenieur Umberto Nobile, und dessen Auftraggeber, dem berühmten norwegischen Polarforscher Roald Amundsen, reist sie als Erstes erfolgreich zum Nordpol.

Der Stil sieht ein wenig aus wie der von Netflix-Animationsfilm „Klaus„. Abgesehen davon, dass dieser Film komplett in 2D animiert ist. Aber irgendwie hat er gemeinsame Charakteristika, die mich genauso angesprochen haben. Gepaart mit den fast 100 Jahre alten Aufnahmen der originalen Expedition, von der der Film erzählt. Und einer unglaublich süßen und liebevollen Vertonung, hat der Film mein Herz schmelzen lassen. Denn es sind gerade die Filme für Kinder, die es immer wieder schaffen, ein hartes erwachsenes Herz, dass sich mit Kunst und Intellektuellen auseinandersetzt, was vollkommen kaltgelassen wird vom französischen extremen Kino, dann doch von der Geschichte eines Hundes aufweichen lässt. Allein schon dadurch, dass der Score ein wenig anschwillt, öffneten sich unkontrolliert meine Tränendrüsen. 

Diese kleine Geschichte hat mich umgehauen und ich brauchte erstmal 10 Minuten, um überhaupt wieder klarzukommen. Und das Peinliche an der Geschichte ist, dass die Kinder im Saal mich angeguckt haben, als wäre ich das kleine Kind. Schlimm fand ich es nicht, geschämt habe ich mich aber trotzdem.

Nach einer kurzen Unterbrechung und etwas Zeit, die ich benötigt habe, um mich wieder etwas fangen zu können, setzte ich mich dann in den nächsten Saal. Dieser war rappelvoll und wir durften zusammen Anna Rollers Debütfilm und gleichzeitige Abschlussarbeit ihres Filmstudiums „Dead Girls Dancing“ angucken.

Dead Girls Dancing

Auf dem Bild sind drei Frauen abgebildet. Die eine guckt nach unten. Die ganz links im Bild schaut schrägt nach oben und die andere rechts unten schaut die Person links an
Ira und ihre beiden besten Freundinnen machen einen Roadtrip nach Italien — Dead Girls Dancing | 2023 ©kalekone film Gmbh

In dem Film geht es um Ira, gespielt von Luna Jordan und ihren beiden besten Freundinnen, die zusammen nach ihrem Abi einen Roadtrip nach Italien machen. Auf dem Weg begegnen sie der fremden Tramperin Zoe. Durch einen mehr oder weniger glücklichen Zufall einer Autopanne, finden sie dann ein verlassenes Dorf in Italien. Dort dürfen sie das erste Mal ein Gefühl von Freiheit erleben.

Ich für meinen Teil bin mit gemischten Gefühlen und etwas ernüchtert aus dem Saal gegangen. Auch wenn die Begeisterung von der anwesenden Anna Roller und der Nominierung der Hauptdarstellerin Luna Jordan völlig berechtigt waren, warf der Film für mich zu viele Fragen auf und ließ zu viel offen. „Dead Girls Dancing“ war zu ambivalent und am Ende des Tages nicht nach meinem Geschmack. Was aber nicht bedeutet, dass es nicht eine unglaubliche geniale Leistung war. Doch als Konsument habe ich mich nicht sehr unterhalten gefühlt. Und war nicht wirklich zufrieden, als der Film dann zu Ende war. 

Unglaubliche Bilder aber zu wenig Inhalt

Die größte Qualität von „Dead Girls Dancing“ schreibe ich dann aber den Bildern zu. Denn allein die Wahl, den Film im 4:3 bzw. dem alten Fernsehformat zu drehen und zu zeigen, war für mich von der ersten Sekunde an interessant. Je mehr Bilder der Film mir zeigte, desto mehr wollte ich auch über den Film wissen. Deshalb war auch dieses Erlebnis für mich am Ende so unbefriedigend. Ich wollte einfach mehr wissen. Zum Beispiel was die Charaktere antreibt. Und was wirklich in ihren Köpfen vorgeht, wenn die Bilder da sind und nüchtern die Erlebnisse der jungen Mädels zeigen. Gerade weil die Bilder dieses Gefühl von Freiheit so genial darstellen und die kleinen Hinweise, die der Film einem gibt. 

Am Ende lässt sich nur sagen, Kompliment an Anna Roller und ihr gesamtes Team für diese Arbeit. Auch wenn „Dead Girls Dancing“ nicht meinen Geschmack so getroffen hat, wie es viele andere in diesem Saal getroffen hat. So hatte ich es zumindest mit meinen Ohren wahrgenommen.

TLC Forever

Tränen am Nordpol und Nächtliche Kurzfilme. Auf dem Bild sind zwei Frauen abgebildet, die vor einem Sternenhimmel stehen und lässig in die Kamera schauen
Das R&B- und Hip-Hop-Trio „TLC“ feierte in den 90ern große Erfolge — TLC Forever | 2023 ©Lifetime

Der dritte Langfilm des Tages verführte mich dann zurück in die 90er Jahre. Wieder eine Doku mit dem Thema Musik im Fokus. Der Dokumentarfilm „TLC Forever“ erzählt einen Rückblick auf die Geschichte der 90er-Girlgroup TLC, die uns alle wahrscheinlich mehr beeinflusst hat, als wir heute zugeben wollen. Mit ihren Hits wie „Waterfalls“ oder „No Scrubs“. Ich war etwas unbeeindruckt vom Stil des Films. So bin ich nicht der größte Fan davon, dass solch ein Film hauptsächlich die Gegenwart und die gegenwärtige Reaktion bzw. so etwas wie die heutigen Business-Entscheidungen der Bandmitglieder zeigt. Die Rückblicke, die Interviews und die Originalaufnahmen der auch verstorbenen Sängerin Lisa Lopez waren großartig und davon hätte ich gerne mehr gesehen. Weniger jedoch, dass das Bandmitglied T-Bow einen veganen Burgerladen besitzt. 

Ich musste dann leider schon vorzeitig den Saal verlassen, um rechtzeitig im Astor anzukommen, um das Highlight meines Tages zu erleben. 

Shorts After Dark: Nächtliche Kurzfilme

Tränen am Nordpol und Nächtliche Kurzfilme: Auf dem Bild ist eine Frau zu sehen, die auf einer großen Couch mit dem Laptop auf dem Schoß sitzt
Der Kurzfilm „The Online Shop“ beinhaltet eine unglaubliche Message — The Online Shop | 2022 ©Carsten Woike Film

Denn zu später Stunde gab es dann noch meine zweite geplante Kurzfilmreihe „Shorts After Dark„, die mit neun gruseligen Kurzfilmen daherkam. Und mich zu meiner Verwunderung gar nicht so sehr erschrecken ließen, sondern eher auf lange Sicht zum Nachdenken anregten. Zwei Kurzfilme stachen dabei am deutlichsten heraus. Der erste war „The Online-Shop„, von Carsten Woike. Ein Film, der mit einer unglaublichen Message daher kam und mich mit offenem Mund da sitzen ließ. Ich konnte einfach nicht anders, als meine Augen kurzzeitig davor zu verschließen, wovor eine gesamte Gesellschaft, die Augen verschließt. Ohne viel weiter darüber sprechen zu wollen, würde ich jedem gerne ans Herz legen, diesen Kurzfilm bei irgendeiner Gelegenheit zu betrachten. 

Der Regisseur bekam einen dicken Applaus. Im Anschluss war er für ein kurzes Q&A auf der Bühne und hat noch ein bisschen Einblick in die Produktion dargeboten. Was mir persönlich sehr gefallen hat, da ich bis kurz vor Ende des Kurzfilms gar nicht gerafft habe, worum es in dem Film eigentlich geht. Die Hintergrundgeschichte der Idee und der Entstehung zu hören, hat dem Ganzen noch einen weiteren Eindruck verliehen. 

„You’re Eearly“: Ein Kurzfilm, der einen aus den Socken haut

Der 2. Kurzfilm, den ich bemerkenswert finde, war „You’re Early“ von Felix Wollner. Ein weiterer Kurzfilm, der einem am Ende doch sehr schnell aus den Socken haut. Mit einem brillant geschriebenen Dialog und einer wirklich stilistischen Umsetzung, die mir ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert hat. 

Hauptdarstellerin Deena Unverzagt und Regisseur Felix Wollner waren auch in diesem Fall kurz nach dem Film für ein Q&A verfügbar. Doch für mich war es mittlerweile zu spät und ich habe mich durch die kalte Nacht auf dem Weg zum Auto und anschließend nach Hause gemacht. 

Immer noch in Gedanken an den Kurzfilm „The Online-Shop“ und an ein Lehrbuch zum Improvisationstheater. So ging der 4. Tag „Tränen am Nordpol und Nächtliche Kurzfilme“ zu Ende und morgen wird es leider schon den Abschluss des Festivals geben.

Braunschweig International Film Festival

LENNART – Autor
Seit November 1995 mache ich das Internet unsicher und nachdem ich viel zu früh gesehen habe, wie ein Anwalt von einem Tyrannosaurus-Rex gefressen wurde, ein Feuchtfarmer die Galaxy rettet und ein Waisenjunge erfährt, dass seine Eltern Zauberer waren, seitdem ist es um mich geschehen. Filme sind für mich das Medium Nummer 1, auch wenn ich so gut wie jeder Form von Kunst etwas abgewinnen kann, ist es das bewegte Bild, das mein Herz am meisten eingenommen hat. Abgesehen vom American Football, der mich 22 Jahre begleitet hat und durch Filme wie „Remember the Titans“ meine eigenartige Vorliebe für den Sportfilm geweckt hat, weswegen man mich auf Letterboxd nur als den Coach kennt.

Filmkritik: Indiana Jones und das Rad des Schicksals

 

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