Das Ende der Regenzeit

Reglos stehen die trockenen Grashalme da. Ein Summen dringt aus den Tiefen der Erde. Kein Lüftchen weht. Die Sonne verbrennt die letzten Reste der Spitzen des einst so saftigen Grüns. Gierig reckt es sich dem Himmel entgegen, als wolle es nach etwas greifen. Ihm dürstet nach Wasser, doch das kühle, erholsame Nass bleibt aus. Schon wochenlang dauert die gähnende Hitze an. Die Insekten tummeln sich an den Halmen; suchend und forschend bewegen sie sich vorwärts. Nichts.

Ein rehbraunes Augenpaar folgt einer Fliege am Fenster. Auf und nieder springen die Pupillen. Langsam. Träge. Wie in Zeitlupe bewegen sich die Flügel des Insekts. Stille. Kein Laut ist zu vernehmen. Dem Anschein nach vermag die Fliege einfach lautlos in der Luft zu stehen. Stehend wie die Luft von der Hitze der Sonne. Schweigen.

Cecilia seufzt auf. Seit gestern drängt sich diese Stille in ihre Gemüter. Drückt auf ihre Schultern. Lastet schwer auf ihren Schultern. Cecilias Brust hebt und senkt sich. Noch ist sie hier, noch ist ihre Anwesenheit präsent. Ihr Herz schlägt gegen ihre Brust. Poch. Poch.
Sie nimmt es kaum war. Erneut entfährt ihr ein Seufzer. Alles wäre einfacher, wenn er sie so nehmen würde, wie sie ist. Wenn er ihre Denkweise akzeptieren würde. Ihr das Gefühl zurückgäbe, eins mit ihr zu sein. Wenn er die Andeutungen, die sie macht, verstehen würde. Wenn er sie doch nur als ein Schrei nach Anerkennung wahrnehmen würde.
Alles wäre viel leichter, würde sie nicht immer das Gefühl haben, er würde weit über ihr stehen. Sie missverstehen.
Ein Glas füllt sich mit Wasser. Ein vereinzelter Tropfen verirrt sich an die Außenseite und gleitet hinab auf die hölzerne Tischplatte. Wie eine Träne versinkt er in dem weichen Untergrund. Aufgesaugt wie von eigner Haut, verschluckt ins Nichts, verschwunden in der Ewigkeit.

Verständnis. Er arbeitet hart und viel. Immerfort kreisen seine Gedanken darum. Er ist träge. Er hält sich die Pfeife an den Mund, die Glut des Streichholzes flammt auf. Mit langsamen, gemächlichen Zügen nimmt er den Tabak in seine Lunge auf, feuert die Pfeife an bis diese langsam vor sich hinglimmt. Er sieht sie nicht. Nimmt sie nicht wahr in ihrer Anmut. Er ist müde, doch kann er nicht schlafen. Er muss fort. „Wir sehen uns dann …“, sagt er und geht ohne sie noch eines Blickes zu würdigen zur Tür hinaus.
Kleine, weiße Perlen rinnen ihre Kehle hinab, sammeln sich in ihrem Magen und lösen sich langsam auf. Schluck für Schluck leert sich das Glas voll Wasser.
Sie liegt auf dem Bett, schaut hinauf zur Decke. Langsam legen sich ihre Lider, treffen auf ihre Wangen. Cecilia öffnet leicht den Mund und zieht scharf die Luft ein. Die Zeit bleibt stehen, die Tropfen am Glas scheinen zu verharren, das Gras rührt sich nicht, die Fliege klebt an der Scheibe und rührt sich nicht mehr. Dies ist das Ende, das Ende von allem, das Ende der Regenzeit.

24. Juni 2013


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