Napoleon – Filmkritik

Napoleon

Der Film “Napoleon” ist das neueste Filmepos von Ridley Scott. In der Hauptrolle des Eroberers spielt Joaquin Phoenix, der bereits am Film „Gladiator“ mit dem Regisseur zusammen gearbeitet hat. Wir sagen euch in unserer Filmkritik, ob sich ein Blick lohnt. 

Es gibt in Hollywood einige Menschen, die sich durch ihre Werke einen Status erarbeitet haben, der ausreicht, um Filmbegeisterte wie mich und viele andere Menschen in die Kinos zu locken.

Alle Jahre wieder kommt ein neues Werk von solchen Menschen heraus. Und wie ich nun mal bin, renne ich ohne auch nur einen Gedanken zu verschwenden in den jeweiligen Film. Zuletzt war das für mich Martin Scorsese’s „Killers of the Flower Moon„. Der Film konnte mich grundsätzlich begeistern. Doch kam er nicht an die Filme heran, derentwegen ich mich in Scorsese per se, aber auch allgemein in die Größen Hollywood verliebt habe. Im Dezember stand ein weiter Film auf dem Plan, diesmal von einem, Filmemacher der seit nunmehr 10 Jahren es nicht mehr geschafft hat mich so vom Hocker zu hauen wie es zuletzt die Rettung von Mark Watney getan hat. Die Rede ist von Ridley Scott und sein neuestes Biopic, über das wohl größte militärische Genie der Weltgeschichte. Napoleon Bonaparte.

Worum geht es in „Napoleon“?

Auf den Bild sieht man Napoleon, der in einen warmen Mantel gehüllt ist, seinen berühmten Hut trägt und grimmig schaut. Von seiner Haltung her sitzt er auf einem Pferd. Den Kopf hat er leicht gesenkt und um ihn herum sieht man Schneeflocken fallen
Joaquin Phoenix in der Rolle des größten Mannes Europas — Napoleon | 2023 ©Scott Free Productions, Apple Studios

Auch interessant: Killers of the Flower Moon – Filmkritik

Vor dem Hintergrund seiner abhängig machenden und unbeständigen Liebesbeziehung zu Kaiserin Joséphine (Vanessa Kirby) dokumentiert der Film Napoleons Aufstieg zur Macht und zeigt dabei die wichtigsten Schlachten in Napoleons Karriere. Der Film beleuchtet in Schlaglichtern eine Reihe von wichtigen Ereignissen in chronologischer Reihenfolge – von der Französischen Revolution 1789 über die Belagerung von Toulon 1793 bis zum Staatsstreich des 18. Brumaire 1799 und der Kaiserkrönung 1804. Das größte Augenmerk legt der Film dabei auf die berühmte Schlacht bei Austerlitz 1805, den Russland-Feldzug 1812 sowie die Rückkehr Napoleons mitsamt der Schlacht bei Waterloo 1815.

Meine bisherigen Erfahrungen mit Ridley Scotts Werken

Doch bevor ich euch erzähle, was ich über den neuesten Streifen des “Revolutionär der Genres” halte, muss ich euch wohl von meiner letzten Sichtung eines Scott-Films im Kino berichten. Ridley Scott hat zweifelsohne Genres geprägt, ähnlich wie Quentin Tarantino oder Steven Spielberg. Seine frühen Werke zählen zu den besten ihrer Art. Doch irgendwann im letzten Jahrzehnt begann Ridley Scott Filme zu machen, die Fans und Kritiker gleichermaßen als durchschnittlich, lieblos und fragwürdig bezeichneten. Zuletzt war dies für mich Scotts letzter Film „House of Gucci„. Der Oscar-Kandidat für Lady Gaga als beste Hauptdarstellerin und ebenfalls ein Biopic unter der Leitung Ridleys Scotts.
In der damaligen Presse-Tour nahm Scott Stellung zu der aufbrausenden Diskussion über Marvel. Angefeuert durch eine berühmte Aussage von Martin Scorsese. Scott diskreditierte das Superhelden-Kino, da er bereits Superheldenfilme gemacht habe, und plädierte dafür, sich mehr erwachsenen Geschichten zu widmen. Eine nette Taktik, wäre der Film, den er damit promotete, auch nur im Entferntesten erwachsen oder unterhaltsam gewesen. Wie ihr vielleicht heraushört, war ich nicht begeistert von „House of Gucci“ und bin es bis heute nicht. So gut wie einzelne Aspekte des Films auch waren, war der Film für mich insgesamt gerade mal durchschnittlich.

Nun sind zwei Jahre vergangen. Und der wohl beste Schauspieler, den wir aktuell haben, stellt sich vor die Kamera, um eine der berühmtesten historischen Figuren zu spielen. Die Trailer sahen vielversprechend aus. Also nahm ich mir die Zeit und besuchte das Kino, wie es sich für einen Film solchen Ausmaßes gehört. In Vorbereitung habe ich mir noch schnell die zwei Oversimplified Videos über Napoleon angesehen. Doch auch ohne diesen frischen, geschichtlichen Crashkurs hätte ich das Gefühl gehabt, dass der Film mir etwas vorenthalten hat.

Der Fokus in „Napoleon“ ist mehr auf der Liebesbeziehung als auf seinen historischen Taten

Auf dem Bild sieht man eine Frau, die eine Hand an ihre Lippen gelegt hat und die Augen geschlossen hält. Hinter ihr steht ein Mann, der sein Gesicht an ihres schmiegt und ebenfalls die Augen geschlossen hat
Napoleon ist im Film eher Lustmolch als Kriegsherr und Eroberer — Napoleon | 2023 ©Scott Free Productions, Apple Studios

Auch interessant: Oppenheimer – Filmkritik

Wie schon oben erwähnt, legt „Napoleon“ viel Wert auf die Beziehung zwischen Napoleon (Joaquin Phoenix) und Josephine. Was zweifellos ein großer Teil der Geschichte des Kaisers von Frankreich war. Doch wenn ich an Napoleon denke, denke ich daran, dass dieser Mann den vereinten Mächten von Europa ganze viermal eine Lektion erteilt hat — und das quasi im Alleingang. Wenn wir jetzt wieder durch die Perspektive eines Unwissenden auf diesen Film schauen, dann kommt all das, was den „für die Zeit durchschnittlich“ großen Mann so groß gemacht hat und was ihn noch 200 Jahre nach seinem Ableben auf St. Helena zu einer historischen Figur von solchem Rang machte, gar nicht rüber.
Aber was rüberkommt ist, dass er anscheinend eine außergewöhnliche Liebesbeziehung mit Josephine hatte. Der heutige Terminus dafür wäre „toxisch“. Zudem war er, um den Film „Napoleon“ selbst zu zitieren, ein „Lustmolch“.

Die größten Taten bleiben unbeleuchtet

Und vielleicht versteht ihr mich, wenn ich sage, dass die drei inszenierten Schlachten doch deutlich ansehnlicher waren, als ihm dabei zuzusehen, wie er Josephine von hinten wie ein Kaninchen „rammelt“. Allein die Tatsache, dass das Verhältnis dieser Szene zu den Schlachten 1:1 ist, finde ich schade. Ich hätte gerne die Überquerung der Alpen gesehen; ich hätte gerne gesehen, was ihm den Respekt seiner Leute eingebracht hat. Doch gerade die frühen Jahre, die ersten zwei Koalitionskriege, werden gänzlich übersprungen. Und dann dreht sich nach der Kaiserkrönung der Film sehr schnell um das Ausbleiben eines männlichen Erben.

Und dabei spielt Vanessa Kirby wirklich eine großartige Josephine. Doch nimmt sie für mich in einem biografischen Film über den Imperator Europas einfach eine zu große Rolle ein. Gerade weil Joaquin Phoenix so eine großartige Performance hinlegt. Auch wenn ich ihm den jungen Napoleon nicht so abgekauft habe wie den gealterten General auf Elba.

Hervorragender Cast und großartige Ausstattung retten das schwache Drehbuch nicht

Auf dem Bild sind links Ridley Scott, der den Kragen von Joaquin Phoenix richtet, der rechts im Bild steht und eine Sonnenbrille trägt. Ganz rechts im Bild sind Statisten im Soldatenkostüm in einer Reihe
Ridley Scott und Joaquin Phoenix am Set zu „Napoleon“ — Napoleon | 2023 ©Scott Free Productions, Apple Studios

Auch interessant: Wonka – Filmkritik

Dennoch hat „Napoleon“ trotz meiner ausführlichen Kritik an ihm eine unglaubliche Anzahl an Qualitäten. Kinematographie, Set Design und vor allem die Kostüme sind unglaublich gut. Der gesamte Cast spielt sich die Seele aus dem Leib. Vor und hinter der Kamera einfach großartig. Selbst die typischen Pacing-Schwierigkeiten sind gar nicht so schlimm. Da wir eine solch große Zeitspanne und viele würdige Momente abdecken müssen, sind dies wirklich Erbsenzählereien. Doch das Drehbuch von David Scarpa zieht all das wirklich runter.
Die Tatsache, dass ein Ridley Scott sich dazu entschieden hat, den Film am Ende so zusammenzusetzen – denn seien wir ehrlich, der Mann hat freie Hand in Hollywood, rechne ich vor allem ihm an. Wie auch schon bei „House of Gucci“ ist nicht unbedingt das, was erzählt wird, das Problem, sondern eher das Wie. Eine große Schwäche von „Napoleon“ ist, dass er letztendlich, wenn die Performances von Phoenix und Kirby nicht so gut wären, keine Daseinsberechtigung hätte. Im Vergleich zu einer Arte-Doku über den größten General der Geschichte.

„Napoleon“ wird dennoch Beachtung bei den wichtigen Filmpreisen finden

Napoleon: Auf dem Bild ist Napoleon auf seinem Pferd. Neben ihm sein erster Offizier und hinter ihnen stehen Soldaten bereit für die Schlacht
Die epischen Schlachten in Ridley Scotts „Napoleon“ sind zumindest optisch gelungen — Napoleon | 2023 ©Scott Free Productions, Apple Studios

Auch interessant: Barbie – Filmkritik

Dennoch denke ich, der Film wird in der Award Season genug Nominierungen sammeln. Wird genug Umsatz machen. Und der Zyklus wird wieder von vorne losgehen, wenn ich in zwei Jahren das nächste Mal, mit Hoffnung nach dem nächsten „Marsianer“ ins Kino wandere. Sehr wohl in dem Wissen, dass ich wahrscheinlich wieder enttäuscht den Saal verlassen werde.

Ich empfehle den Film jedem, der das große Kino liebt! Doch ich selbst bin bei der Schlacht von Waterloo beinahe eingeschlafen, da ich nach zwei Stunden einfach keine Lust mehr hatte. Ich will „Napoleon“ nicht schlecht reden. Aber ihr kennt das bestimmt, wenn ihr so von einem Film enttäuscht werdet, gerade narrativ, dass all die positiven Aspekte nicht der Rede wert zu sein scheinen. Denn letztendlich schaut doch auch niemand einen Film nur wegen der Performance eines einzigen Schauspielers. Es gehört halt mehr dazu, ein großartiger Film zu sein. Das beginnt mit der Geschichte und endet mit all den technischen Kleinigkeiten.

Fazit:

„Napoleon“ ist, gerade im Jahr 2023, nicht mehr als der kleine nervige Bruder eines „Oppenheimers„. Denn Nolans Biopic, über den Prometheus der modernen Welt, ist das, was Napoleon hätte sein können. Aber nun mal nicht ist, auch wenn alle Karten dafür im Stapel gewesen wären. Schade drum, doch trotz allem hat der Film seine 6 von 10 Punkten verdient. Für all die Dinge, die er richtig gemacht hat. Aber letztendlich nicht ausgereicht haben, um den Film auf eine Stufe mit den besten Filmen des Jahres zu stellen.

Werdet ihr euch den Film „Napoleon“ im Kino ansehen?


TRAILER: ©Scott Free Productions, Apple Studios, Sony

Napoleon

Dir gefällt was wir machen? Dann supporte uns! Kommentiere, teile und like unsere Beiträge auch in Social Media oder spendiere uns einen KAFFEE ☕. Mit deiner Unterstützung sorgst du dafür, dass die Seite weiter betrieben werden kann.

Der Beitrag enthält Affiliate Links von Amazon. Bei einem Kauf ändert sich für dich nichts, du unterstützt lediglich dadurch unsere Arbeit. Außerdem Links zu den Streamingdiensten Netflix und Disney+. Auch hier ändert sich nichts für dich bei einem Abo-Abschluss und es zwingt dich niemand dazu. Dafür bekommen wir auch nichts. Dies dient nur dazu, dass du gleich Zugriff auf den besprochenen Film hast, ohne noch einmal extra auf die Streamingseite gehen zu müssen.  

LENNART – Autor
Seit November 1995 mache ich das Internet unsicher und nachdem ich viel zu früh gesehen habe, wie ein Anwalt von einem Tyrannosaurus-Rex gefressen wurde, ein Feuchtfarmer die Galaxy rettet und ein Waisenjunge erfährt, dass seine Eltern Zauberer waren, seitdem ist es um mich geschehen. Filme sind für mich das Medium Nummer 1, auch wenn ich so gut wie jeder Form von Kunst etwas abgewinnen kann, ist es das bewegte Bild, das mein Herz am meisten eingenommen hat. Abgesehen vom American Football, der mich 22 Jahre begleitet hat und durch Filme wie „Remember the Titans“ meine eigenartige Vorliebe für den Sportfilm geweckt hat, weswegen man mich auf Letterboxd nur als den Coach kennt.

Filmkritik: Indiana Jones und das Rad des Schicksals

 

Andere Meinungen zu „Napoleon“:

Zeit.de
Mit Napoleon treibt Scott die Opferlogik auf die Spitze und macht uns die Rechnung auf: Was wir Weltgeschichte nennen, ist eine Chronik des Grauens. Fast zwei Millionen Menschen sind in den Koalitionskriegen umgekommen. […]

GQ Magazin
Der große Regisseur Stanley Kubrick widmete sich in den 70er-Jahren ebenfalls dem Napoleon-Stoff. In seinem Büro füllte sich über die Jahre ein Aktenschrank mit zahllosen Quellen und hunderten Karteikarten voller Notizen, die allerdings nicht dabei halfen, des Kaisers habhaft zu werden. Kubrick kapitulierte vor Napoleon. Steven Spielberg kündigte gerade kürzlich an, aus Kubricks Vorarbeit zu Napoleon eine Serie für HBO zu machen. Man darf hoffen, sie wird dem Menschen Napoleon näher kommen, als es Scott gelungen ist.

WHYSOFURIOUS auf Letterboxd
Napoleon ist Kino als Wikipedia Artikel. Sicherlich spielen Kirby und Phoenix das phantastisch drüber, und die Schlachten bei Austerlitz und Waterloo sind imposant in Szene gesetzt, aber Ridley Scott gelingt es nicht einen runden Film daraus zu machen.

Martin auf Letterboxd
Insgesamt ist Napoleon sicher kein perfekter Film und obwohl ich sehr beeindruckt war, wurde es nicht dieses ganz große Highlight, welches ich mir erhofft habe. Aber wie gesagt, merkt man meiner Meinung nach recht klar, dass der Film auf eine längere Laufzeit ausgerichtet ist und Scott hat schon bei „Königreich der Himmel“ gezeigt, dass seine Directors Cuts Filme nochmal auf ein ganz neues Level heben können.

Das könnte dich auch interessieren

Schreibe einen Kommentar

Technische Umsetzung durch die Internetagentur SEO Lausitz. Professionelles Webdesign in der Oberlausitz für Löbau, Bautzen, Görlitz und Zittau!