Passivattraktiv: Irgendwas mit Kultur

Passivattraktiv

Ein Bericht über die Comedy-Show von Passivattraktiv

Es ist schon eine Weile her, seit ich das letzte Mal einen gemütlichen Filmabend eingelegt habe. Was vielleicht auch daran liegt, dass zwischen all dem, was einem im Alltag begegnet, meine bessere Hälfte und ich in den letzten Monaten viele Serien geschaut haben. Und so sehr ich das bewegte Bild auch vergöttere, war meine erste Liebe schon immer die Musik. In einer Welt, in der Streaming-Dienste wie Netflix und Co. einem schnell das Gefühl geben können, sich an Bildern sattgesehen zu haben, war ich daher besonders neugierig auf das musikalische Comedyprojekt “Passivattraktiv”, zu dem mich die Komponistin Vanessa nach unserem Interview im November auf dem Braunschweig International Filmfest eingeladen hatte.

Ein Beitrag von: Lennart Goebel

Also machte ich mich auf den Weg ins benachbarte Gifhorn, um mir die Show anzusehen. Mit einem Bier bewaffnet, betrat ich das Veranstaltungszentrum Grille und ließ mich inmitten eines ausverkauften Hauses nieder. Doch was erwartete mich bei Passivattraktiv?

Ein musikalisches Comedy-Ensemble zwischen Kabarett und Konzert

Passivattraktiv: Das Bild zeigt eine Gruppe von Menschen. Eine Frau sitzt am Klavier, ein Mann sitzt in der Mitte auf einem Hocker. Daneben ist eine Frau, die gerade in ein Mikrofon singt
Sängerin Lisa Hinzke | Foto 2024 © Lennart Goebel

Das vierköpfige Ensemble, bestehend aus den Sängern Raphael & Lisa, der Pianistin Vanessa und dem Texter Rune, stammt aus allen Ecken des deutschsprachigen Raums. Unter dem Thema “Irgendwas mit Kultur” präsentieren sie auf musikalische Art ein Comedyprogramm, das sich mehr wie ein Konzert anfühlt.

Meine Freunde waren im Vorfeld neugierig, auf welches Konzert ich mich da eigentlich eingelassen hatte. Und ehrlich gesagt wusste ich es selbst nicht genau. Ich sagte, es sei eine Art Kabarett-Show, doch das konnte sich kaum jemand vorstellen. Im Nachhinein würde ich behaupten, dass es auch nicht wirklich das war. Die Show erinnerte mich am ehesten an Bo Burnhams Special “Inside”, das für mich eines der besten Kunstwerke ist, die ich je gesehen habe. Und so überzeugte mich auch Passivattraktiv binnen Sekunden.

Passivattraktiv: Ein humorvolles Portrait des Alltags zwischen Studium und Midlife-Crisis

Die Show, recht minimalistisch gehalten, thematisiert den Alltagswahnsinn zwischen Studium und Midlife-Crisis und ist nah am Zeitgeist. Die Lieder handeln von Liebe, Beziehungsproblemen und den kleinen Sorgen des Alltags, die jeder von uns kennt. Mit ihrem Comedy-Programm, das seine Wurzeln in der Absurdität des Realismus hat, brachte mich Passivatracktiv und das Publikum oft zum, hinter vorgehaltener Hand, lauthalsen Lachen.

Besonders beeindruckt hat mich ein Song, der die Gegenthese zur Generation der Helikoptereltern behandelt. “Ich will keine Helikopter, sondern U-Boot Mutter sein”, singt Frontfrau Lisa. Ich musste mich so zusammenreißen und mir den Mund zuhalten, bevor es nach der letzten Note plötzlich aus mir herausbrach. Das hat selbst die witzigste Komödie der letzten Jahre nicht geschafft. Warum ausgerechnet dieser Song mir so im Gedächtnis geblieben ist, weiß ich nicht. Vielleicht gerade deshalb, weil er so bissig war. Ich mag nun mal bösen Humor und davon gab es für meinen Geschmack auch genug. Doch die Abwechslung, die von depressiven nachdenklichen Stücken bis zu dem ein oder anderen albernen Song reichte, erzeugte eine wirklich gute Mischung und eine am Ende gut konzipierte Show.

Mit ihrem teils bösen und zynischen, aber vor allem bodenständigen Humor beleuchteten Passivatracktiv auch andere Themen aus meinem Alltag, wie die Nutzung von Social Media, den Konsum von Drogen und die Absurditäten von Kommentarsektionen im Internet. Und ehe ich mich versah, war die Show auch schon wieder vorbei. Gerade nach der Pause verflog die Zeit so schnell. Und als dann die Zugabe, ein Medley, gespielt wurde und mein Blick ungläubig zur Uhr wanderte, musste ich auch feststellen, dass die zweieinhalbstündige Show einfach an mir vorbeigezogen war. Und was als Qualitätsmerkmal für Filme gilt, denke ich, kann man auch für eine Comedy-Show geltend machen. Ich war durchweg gut unterhalten, reflektierte auf der Heimfahrt ein wenig über mich selbst und hatte noch die ein oder andere Melodie im Ohr – alles, was man von solch einem Abend “mit Kultur” erwarten kann.

Passivattraktiv: Auf dem Bild ist eine Musikgruppe. Eine Frau sitzt am Klavier, eine Frau steht mit Mikrofon in der Mitte und ein Mann spricht gerade ins Mikrofon
Sänger und Synchronsprecher Rafael Albert | Foto 2024 © Lennart Goebel

Passivattraktiv: Eine musikalische Comedy-Revue voller Erwachsenenhumor und nostalgischer Disney-Anleihen

Inhalt ist aber bei einer musikalischen Darbietung nicht alles. Der Sound erinnerte mich durchgehend an die Songs der Disneyfilme, mit denen ich damals aufgewachsen bin. Doch sind die Zuschauer, sowie auch der Inhalt der Lieder mittlerweile erwachsen. Das bestätigte sich spätestens, als gegen Ende der Show tatsächlich ein Disney-Song parodiert wurde, um damit satirisch Kritik an Liebesliedern zu porträtieren. Musik ist bekanntlich Geschmackssache. Deshalb wird Passivattraktiv sicherlich nicht jedermanns Sache sein. Dennoch fand ich, dass die Show etwas für jeden bot, der mit dieser Art von Comedy etwas anfangen kann. Sowohl Bo Burnham Fans als auch Kleinkunst-Enthusiasten kommen hier definitiv auf ihre Kosten.

Für diejenigen, die nicht gerne lachen, oder diejenigen, die sich gerne professionell durch Social Media scrollen, mag diese Show nichts sein. Doch ich werde definitiv wiederkommen – spätestens, wenn das Projekt im Oktober in Berlin seine erste Veröffentlichung feiert. Dann nehme ich euch gerne mit.

Und für diejenigen, die jetzt auf den Geschmack gekommen sind und sich überlegen, sich auch mal eine Show anzusehen, denen verspreche ich, dass es etwas Besonderes wird. Es wird eine Reise durch den Wahnsinn des Alltags, verpackt in ein musikalisches Comedy-Spektakel, das euch garantiert zum Lachen und Nachdenken bringen wird.

Alle Termine und weitere Infos über das Projekt findet Ihr hier.

Passivattraktiv: Auf dem Bild ist eine Gruppe von Menschen, die lachend für ein Foto posieren
Ich zusammen mit Passivattraktiv | Foto 2024 © Lennart Goebel

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LENNART – Autor
Seit November 1995 mache ich das Internet unsicher. Und nachdem ich viel zu früh gesehen habe, wie ein Anwalt von einem Tyrannosaurus-Rex gefressen wurde, ein Feuchtfarmer die Galaxy rettet und ein Waisenjunge erfährt, dass seine Eltern Zauberer waren, seitdem ist es um mich geschehen. Filme sind für mich das Medium Nummer 1. Auch wenn ich so gut wie jeder Form von Kunst etwas abgewinnen kann, ist es das bewegte Bild, das mein Herz am meisten eingenommen hat. Abgesehen vom American Football, der mich 22 Jahre begleitet hat. Und durch Filme wie “Remember the Titans” meine eigenartige Vorliebe für den Sportfilm geweckt hat, weswegen man mich auf Letterboxd nur als den Coach kennt.

Filmkritik: Indiana Jones und das Rad des Schicksals

 

Cover Foto Valentin Balan | Passivattraktiv: Irgendwas mit Kultur | Mehr Infos zur Comedy Gruppe gibt es auf https://www.passivattraktiv.de/

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2 Kommentare

  1. Scheint ein super Abend gewesen zu sein. 🙂

    BTW: Es wäre vielleicht ganz gut, nach der Überschrift zu schreiben, wer der Verfasser ist. 😉 Der erste Absatz hat mich heftig irritiert, da ich dachte, der Artikel ist von Riley. 😆

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