Nach „Loving Vincent“ ist „Das Flüstern der Felder“ der zweite Film des Ehepaars Welchman, der mit einer speziellen Animationstechnik umgesetzt wird. In dieser Filmkritik zu „Das Flüstern der Felder“ wollen wir klären, ob der Film wirklich so hübsch ist wie der Trailer verspricht und ob außer dem Stil noch mehr hinter diesem animierten Gemälde steckt.
Ein Beitrag von: Maddin
Worum geht es in „Das Flüstern der Felder“?
„Das Flüstern der Felder“ (Originaltitel: „Chłopi“ bzw. Englisch „The Peasants“) ist ein animiertes Filmdrama des Regieehepaars Dorota Kobiela und Hugh Welchman, das 2023 seine Premiere beim Toronto International Film Festival feierte. Der Film basiert auf dem preisgekrönten Roman „Die Bauern“ von Władysław Reymont, der 1924 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde.
Die Geschichte spielt Ende des 19. Jahrhunderts und folgt dem Leben der jungen Bauernfrau Jagna Paczesiówna (Kamila Urzedowska). Trotz ihrer tiefen Liebe zu Antek Boryna (Robert Gulaczyk), dem Sohn eines wohlhabenden Bauern, wird sie von ihrer Familie gezwungen, den älteren und reichen Landwirt Maciej Boryna (Mirosław Baka) zu heiraten. Diese Zwangsehe führt zu Konflikten und emotionalen Turbulenzen in der Gemeinschaft und stellt Jagna vor eine harte Prüfung.
Der Film zeigt die Herausforderungen und sozialen Konflikte im Leben der ländlichen Bevölkerung, die im Roman von Reymont detailliert beschrieben werden. Die Handlung entfaltet sich in den vier Jahreszeiten Herbst, Winter, Frühling und Sommer, die die verschiedenen Phasen des Lebens und der Emotionen der Figuren widerspiegeln.
Das Flüstern der Felder – Ein Gemälde in Bewegung
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Die Machart bzw. die Entstehungsgeschichte dieses Werks ist sehr faszinierend. Alle Szenen wurden zunächst mit Schauspieler:innen gedreht. Im nächsten Schritt haben über 100 Künstler:innen unter großem Aufwand die Szenen in Öl auf Leinwand gebannt. Dabei sind über 55.000 einzelne Gemälde entstanden! Diese Gemälde wurden dann durch weitere Pinselstriche und Impasto (dickes Auftragen von Farbe) animiert. Das Ergebnis kann sich auf alle Fälle sehen lassen. Insbesondere Landschaftsaufnahmen sehen wirklich wie wunderschöne Gemälde aus.
Der Film ist dabei im Stil „Junges Polen“ (polnisch „Młoda Polska“) gehalten. Dieser Stil übernahm Elemente von Neoromantik, Symbolismus, Impressionismus und Secession. Kunststile die sich durch große Opulenz, aber auch Naturverbundenheit auszeichnen. Der Film zieht auch Inspiration von Künstler:innen außerhalb Polens, z.B. gibt es eine Szene welche an „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ (1667) von Johannes Vermeer angelehnt ist.
Ich muss aber zugeben, dass es nicht immer so beeindruckend aussieht. Gerade wenn es mehr Bewegung gibt und die Charaktere von Nahem zu sehen sind, sieht das manchmal nicht so schick aus. Allerdings sind fast alle Totalen von Landschaften wirklich schicke Gemälde, welche ich mir so auch zu Hause aufhängen würde.
Traditionen, Glaube, Patriachat
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Der Film beschäftigt sich mit patriarchalen Strukturen und der Dynamik innerhalb so einer Dorfgemeinschaft. Hauptfigur ist Jagna, welche am liebsten viel in der Natur ist und vor sich hin träumt oder kleine Papierbögen bastelt. Doch eines Tages vermählt ihre verwitwete Mutter sie mit dem reichsten Bauern des Dorfes, dem alten Maciej Boryna. Dies führt nicht nur zu Konflikten mit dessen Familie sondern auch mit dem ganzen Dorf, denn jede:r ist neidisch auf den Wohlstand des Bauern. Hinzukommt, dass Jagna eigentlich den etwas jähzornigen Antek Boryna liebt (der Sohn ihres Ehemanns).
Der Film geht dabei durchaus kritisch mit dem Patriarchat und dem Feudalismus ins Gericht. Jagna wird wie eine Ware von Mann zu Mann geschubst, auch wenn sie das gar nicht will. Die Dorfbewohner:innen geben aber für jede Verfehlung der Männer ihr allein die Schuld, was auch in eine finale, sehr krasse Konfrontation mündet. Daneben versucht der (nicht anwesende) Gutsbesitzer, den Bauern ihr gepachtetes Land streitig zu machen. So verkauft er den Wald und dieser soll gerodet werden. Hier kommt es letztendlich zu handfesten Streitigkeiten. Es gibt dann auch durchaus einige härtere Szenen (Vergewaltigung, Kämpfe), welche aber nicht direkt gezeigt und auch durch den Zeichenstil entschärft werden.
Polnische Schauspieler:innen der Extraklasse
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Das Herz dieses Films bildet unzweifelhaft Kamila Urzędowska als Jagna. Sie ist bisher nur aus kleineren Nebenrollen in verschiedenen polnischen Serien bekannt. Hier hat sie zum ersten Mal eine Hauptrolle eines größeren Films und spielt ihre Rolle mit Bravour. Sie bildet den emotionalen Ankerpunkt für die Zuschauenden. Sie will eigentlich nur in Ruhe gelassen werden und das ist doch sehr menschlich. Dies bringt sie in jeder noch so kleinen Szene sehr gut herüber. Aber auch die restliche Besetzung überzeugt, insbesondere Robert Gulaczyk als Antek, der die Wut aber auch die Liebe zu Jagna sehr gut herüberbringen kann.
Musik als wichtiges Instrument
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Hinzu kommt noch eine wunderschöne musikalische Untermalung, die oft sogar aus den Szenen organisch integriert wird. So geben die Dorfmusikant:innen die schönsten polnischen Volkslieder zum besten. Von emotional berührend bis hinzu leidenschaftlich-tanzbar ist alles dabei. Wie für gute Musik üblich, vertieft und unterstreicht diese die gezeigten Szenen. Die Musik setzt oft aber selbst auch die Stimmung, egal ob melancholisch, freudig oder traurig.
Fazit zu „Das Flüstern der Felder“:
Dieses Werk beeindruckt mich auf allen Ebenen: Inszenatorisch, künstlerisch, schauspielerisch, handlungstechnisch und musikalisch. Gerade auf der großen Leinwand im Kino wirkt das nochmal viel intensiver als auf einem kleinen Heimkino-Fernseher. Also mein Appell: Unterstützt euer kleines, unabhängiges Lokalkino und schaut euch dort diesen Film an!
Werdet ihr euch „Das Flüstern der Felder“ im Kino ansehen?
TRAILER: ©Plaion Pictures
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MADDIN – Filmkritiker
Schon als Kind bin ich von Star Wars begeistert. Mein erster bewusst wahrgenommener Kinobesuch ist die Sichtung von Star Wars Episode I und mein 9-jähriges Ich war hellauf begeistert. Noch heute hat dieser Film einen großen Platz in meinem Herzen. Generell mag ich insbesondere SciFi-Filme und Fantasy (Herr der Ringe). Seit 2021 mache ich Letterboxd unsicher und seitdem hat sich mein Filmgeschmack auf alle möglichen Genres ausgedehnt. Sogar an Horrorfilme traue ich mich vermehrt heran.
Pressestimmen zu „Das Flüstern der Felder“:
Christoph Petersen von Filmstarts
Das polnische Nationalepos „Die Bauern“ dient als Vorlage für einen Animationsfilm, der seine Vorlage zwar zu einer inhaltlich eher dünnen Dreiecksgeschichte einstampft, stattdessen aber mit eindrucksvollen Bildern sowie einem spannenden Einblick in polnische Riten und Traditionen überzeugt.
3,5 von 5 Sternen
Birgit Schindele auf „Der Filmjournalist“
„Das Flüstern der Felder“ ist nicht nur einer der schönsten Animationsfilme, sondern auch einer der mitreißendsten. Dorota Kobiela Welchman und Hugh Welchman haben Kunst und Technik meisterhaft vereint und präsentieren ein eindringliches Porträt einer Dorfgemeinschaft im 19. Jahrhundert, das uns mit Themen konfrontiert, die auch heute bedeutend sind. Diesen Film sollte man gesehen haben!
9 von 10 Punkten
Adrian Prechtel von Abendzeitung München
So wird der Film ‒ bei aller Schönheit ‒ packend und durchschlagend auch zu einer überzeitlichen Parabel für kollektive Brutalisierung. Und das ist ein Phänomen, das sich noch durch das gesamte 20. Jahrhundert ziehen wird und natürlich auch in unser 21. Jahrhundert hineinragt.
Pressematerial: Das Flüstern der Felder | 2024 ©Plaion Pictures
3 Kommentare
Was für ein schöner Beitrag @maddin809
Gelesen habe ich es noch nicht, will den Film ja noch sehen^^
Danke dir. ☺️
Die Bilder sind aber auch schön, wie auch der Film. 🤩
Ja @maddin809
Bin sehr gespannt drauf. Vielleicht erhalte ich ja doch noch die Möglichkeit fürs Kino