#WritingFriday: Ich sehe dich!

Endlich wieder #WritingFriday! Diese Woche gibt es wieder eine kleine, traurige Geschichte von mir. Diesmal zu dem Thema: “Du lebst als Obdachloser auf der Strasse. Beschreibe deinen Blick auf die Menschen, die vorbeigehen.

Ich hoffe du magst sie!

Schon wieder ist sie dort am Geländer und schaut auf die Themse. Ich habe sie schon öfter dort gesehen, wie sie träumend auf das Wasser schaut, ganz in Gedanken versunken. Der Schneefall wurde heftiger und die Frau schlug ihren Kragen hoch und zog den Mantel enger um sich. Ich fragte mich, was sie wohl dachte während sie dort stand. Ob sie bemerkte, dass ich sie beobachtete?
Ein Mann mit seinem Sohn ging an mir vorbei. Er hielt den Jungen an der Hand und zog ihn durch das Schneegestöber. Seinen Hut schob er mit der anderen Hand tief ins Gesicht, um es vor der Kälte und den Flocken zu schützen. Dennoch erkannte ich, dass er wohl sauer auf den Burschen sein musste, oder vielleicht auf dessen Mutter. Möglicherweise war er ein geschiedener Mann und hatte dieses Wochenende das Kind bei sich. Nun eilte auch die Frau davon, wie immer wenn der Big Ben die Tea Time einläutete. Der Duft von frischen Mandeln umspielte meine Nase und ein Elternpaar mit einem kleinen Mädchen kam den Weg entlang. Sie hatten sich die Mandeln beim Verkäufer oben auf der Brücke geholt, die das Mädchen nun freudestrahlend, pausbäckig verschlang. Sie wirkten glücklich und nun wünschte ich, ich wäre an der Stelle des kleinen Mädchens. Meine Eltern waren vor langer Zeit schon gestorben, das Heim in das ich kam, glich der Hölle und so schlug ich mich alleine durch. Adoptieren wollte mich niemand, trotz meiner wilder Locken und den großen, grünen Augen, die mir immer das gewisse Etwas verliehen. Zumindest hatte das mein Vater stehts gesagt. Doch so besonders scheine ich nicht zu sein, denn immerhin wirke ich auf andere unsichtbar. Tagein tagaus sitze ich hier an der Themse und beobachte die Menschen in London, doch niemand nimmt mich wahr. Bis eines Tages ein Junge auf mich zukam und mich ansprach. Peter war sein Name, er war groß gewachsen und schlaksig, am Leib trug er nur ein sehr dünnes Gewand. Ich dachte er müsse furchtbar frieren, doch er hatte nicht einmal eine Gänsehaut. Er war der erste nach zwei Jahren, der sich nach meinem Befinden erkundigte und erzählte mir von seinem Zuhause, in dem man nie erwachsen würde, immer spielen konnte und ganz viele andere Kinder dort jede Menge Spaß hatten. Zum ersten Mal seit dem Tod meiner Eltern lächelte ich bei dieser Vorstellung und doch konnte ich ihm nicht so recht glauben. Doch er meinte nur, er würde es mir zeigen, nahm mich sanft bei der Hand und ich hörte schlagartig auf zu frieren. Der kalte Wind peitschte nicht mehr mein Gesicht, die eisigen Flocken spürte ich zwar wie Federn auf meinen Wangen, doch war die Kälte verschwunden. So folgte ich ihm ins Nimmerland und er hatte nicht gelogen.

Wie hat dir die Geschichte gefallen? Lass es mich in einem Kommentar wissen. 

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DIE REGELN
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  • Schreibt eine Geschichte / ein Gedicht / ein paar Zeilen – egal Hauptsache ihr übt euer kreatives Schreiben
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  • Schaut unbedingt bei euren Schreibkameraden vorbei und lest euch die Geschichten durch!
  • Habt Spass und versucht voneinander zu lernen
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7 Kommentare

  1. Ich bin hin und weg von deiner Geschichte! Es hat mich ein bisschen an die Geschichte vom Mädchen mit den Schwefelhölzern erinnert – und das Ganze verpackt im Peter-Pan-Setting! Das ist dir richtig gut gelungen! Sehr traurig, aber auch sehr, sehr schön <3
    Liebste Grüße,
    Ida

    1. Liebe Ida,
      Danke dir. Genau darauf wollte ich hinaus, es sollte an das Mädchen mit den Schwefelhölzern erinnern. 😊
      Meine Schwester hatte Peter Pan einmal als Tod interpretiert, was gar nicht mal so unlogisch ist. Er nimmt sie mit ins Nimmerland, was man als einen Ort des Friedens sehen kann. Dort werden sie auch nie alt, da sie ja bereits in jungen Jahren verstorben sind.
      Liebe Grüße, Gina

      1. So gesehen ist das fast poetisch – Peter Pan als eine Art Engel, der die Sterbenden von der Welt der Lebenden ins friedliche Nimmerland hinüber bringt. Gute Interpretation von deiner Schwester! Und man sieht ja, was für tolle Geschichten daraus entstehen können. 🙂

  2. Liebe Gina, das ist eine magische Geschichte! Ich schaue mir manche Menschen auch an und stelle mir vor wo im Leben sie sich wohl gerade befinden und was bei ihnen wohl los ist. Besonders freut es mich aber, dass dein Protagonist ins Nimmerland darf <3 Welch wundervolles Ende führ ihn!
    Hab ein tolles Wochenende <3

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