Die Anfänge vom Horror im Film: Ein Hauch Historie

Horror im Film

Horror im Film ist nicht mehr wegzudenken. Quasi wöchentlich erwarten uns neue Horrorfilme im Kino. Das Genre Horror ist vielleicht so stark etabliert, wie kein anderes. Tatsächlich könnte man fast sagen, dass es das erste Filmgenre war. Tauchen wir einmal ein, in die Geschichte des Horrorfilms und beginnen ganz am Anfang.

Am Anfang war es stumm

Wie wir alle wissen, waren die frühen Filme vor allem eines: leise. Ton auf Film war in den Anfängen nicht möglich und es dauerte bis in die 1920er hinein, bis die Filme auch das Sprechen, Singen, Musizieren und so weiter lernten.

Die ersten Horrorfilme waren also ebenfalls Stummfilme. Interessanterweise ist das Genre Horror ein sehr früher Vertreter der Filmgenres. Zu Beginn beschränkten sich Filme eigentlich auf abgefilmte Realitäten. Die erste kommerzielle Vorführung eines Films zeigte für knapp 45 Sekunden, wie Arbeiter eine Firma verlassen. „La Sortie des usines Lumière à Lyon (Workers Leaving the Lumière Factory)“ bestach also nicht gerade durch Storytelling.

Natürlich war im Jahr 1895 die Faszination für das Phänomen Film aber noch ein anderes. Vermutlich ist es vergleichbar mit der teilweise vorherrschenden Begeisterung für künstliche Intelligenz, die aber erst in ihren Kinderschuhen steckt. Für uns jetzt noch gar nicht vorstellbar, was KI in 100 Jahren zu leisten in Stande sein wird. So wussten es die Menschen vor über 100 Jahren natürlich auch nicht beim Medium Film.

Trotzdem gab es bereits erste Gehversuche mit fiktionalen Stoffen.

Die Fiktion kehrt ein und sorgt für Horror im Film

Das Bild Zeigt einen Mond mit einem Menschengesicht. In einem Auge hat es eine Rakete
Georges Méliès berühmtes Bild des Mondes mit der Rakete im Auge, aus dem Film “Die Reise zum Mond” — Die Reise zum Mond | 1902 ©Star Film Company

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Als erster fiktionaler Film gilt „La Fée aux Choux“ von der ersten Filmregisseurin der Welt, Alice Guy-Blaché. Was ich mal als „Die Kohlkopf-Fee“ übersetze, war im Grunde nichts anderes als Yvonne Serand, die als Fee verkleidet, Babys aus Kohlköpfen hervorzaubert. Der Film dauerte eine knappe Minute und letztlich war es einfach ein Set, in dem die Babys bereits hinter den Kohlköpfen platziert waren und einfach von Yvonne hervorgeholt wurden. Aus heutiger Sicht absolut unbeeindruckend, aber ein Anfang.

Im selben Jahr begann aber ein Regisseur seine Karriere, dessen Filme bis heute teilweise bekannt sind: Georges Méliès. Wenn wir über Filmgenres reden, kommen wir an diesem Mann nicht vorbei. Georges Méliès drehte über 500 Kurzfilme. Sein bekanntestes Werk dürfte der erste Science-Fiction-Film „Le voyage dans la lune (Die Reise zum Mond)“ aus dem Jahr 1902 sein. Wir kennen alle das Bild mit der Rakete im Auge des Monds, denke ich.

Georges Méliès hat also generell Genre im Film vorangebracht. Vor der Science-Fiction dreht er auch den ersten Horrorfilm und das nur kurz nach dem ersten fiktionalen Film überhaupt. Somit gehört der Horror im Film zu den ersten Filmgenres. Selbst das unglaublich populäre Western-Genre folgte erst einige Jahre später.

Das Haus des Teufels

Horror im Film: Auf dem Bild sieht man auf der rechten Seite einen Mann, der sich heran schleicht. Hinter ihm sind viele antike Böden, die zu einer Tür führen. Auf der linken Seite ist eine Holzbank und ein Fenster, daneben befindet sich ein Durchgang
Georges Méliès schuf mit “The House oft the Devil (Le Manoir du diable) einen der ersten Horrorkurzfilme, die im Theater aufgeführt wurden — The House oft the Devil | 1896 ©Georges Méliès

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„Le Manoir du diable (The House oft the Devil)“ aus dem Jahr 1896 ist aus heutiger Sicht natürlich kein bisschen gruselig. Die Handlung ist schnell erklärt: In einem Schloss erschafft der Teufel eine schöne Frau. Ein Held kommt vorbei, wird vom Teufel und dessen Handlanger in die Irre geführt, durch Fledermäuse, Skelette und Geister und besiegt den Teufel letztlich, indem er ihn mit einem Kruzifix konfrontiert.

Mit einer Länge von über 3 Minuten hatte der Film damals sozusagen Überlänge. Dafür bot er aber durchaus beeindruckende Schnitte. Eigentlich besteht der gesamte Film daraus. Der Teufel verwandelt sich durch Schnitte. Gegenstände tauchen auf und verschwinden durch Schnitte. Am Ende fällt fast die Kulisse um, was zwar nichts mit Schnitt zu tun hat, aber trotzdem lustig ist.

Generell wurde der Film wohl schon damals eher amüsiert aufgenommen. Er war jahrelang verschollen und die einzige Kopie tauchte im Jahr 1985 in Neuseeland auf. Zu der Zeit hat das dann natürlich absolut niemanden mehr geschockt.

Wie aufmerksamen Lesern und Leserinnen aufgefallen sein sollte, war zu dieser Zeit vor allem Frankreich Wegbereiter für den Film. Das sollte sich aber ändern.

Infernos, Doktoren und Horror im Film

Die 1910er sind vor allem für den Ersten Weltkrieg bekannt. Dieser hatte logischerweise auch Auswirkungen auf die Filmproduktion. Bereits zu Beginn des Jahrzehnts sank langsam der Stern der französischen Filmbranche. Nach dem Ersten Weltkrieg konnte sie sich vorerst nicht mehr erholen.

Dafür traten andere auf den Plan.

„L’Inferno (Dante’s Inferno)“ war gleich in dreifacher Hinsicht eine Premiere:

  • die erste Verfilmung von Dantes Göttlicher Komödie
  • der erste Langspielfilm im Horrorgenre
  • der erste Langspielfilm aus Italien

Der Film ist ziemlich aufwendig, wenn man das Entstehungsjahr bedenkt. Es gibt zahlreiche Sets und Locations, jede Menge Statisten und auch Special Effects.

Horror im Film: Das Bild Zeigt auf der rechten Seite viele Menschen, die einen Berg erklimmen und vor dem Feuer, das unten brennt, fliehen. Im Hintergrund ist ein weiterer Berg und das Feld, das sich dort hin erstreckt steht in Flammen
„L’Inferno (Dante’s Inferno)“ war die erste Verfilmung von Dantes Göttlicher Komödie — Dante’s Inferno | 1911 ©L’Inferno

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Durch den Weltkrieg fand während der 1910er wenig Horror im Film statt. Die Menschen hatten den Horror direkt vor der Haustür.

Erwähnenswert ist aber, dass zu dieser Zeit erste Verfilmungen bekannter Vorlagen wie „Frankenstein“ und „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ entstanden.

Ebenfalls nicht ganz unwichtig ist „Der Golem“ von Paul Wegener. Ein deutscher Horrorfilm aus dem Jahr 1915. Ein Vorbote für das, was nach dem Ersten Weltkrieg geschehen sollte.

Deutschland übernimmt den Horror im Film

In den 1920er Jahren beginnt das, was wir heute als das goldene Zeitalter des Horrorfilms bezeichnen. Den Anfang nimmt dieses Zeitalter in Deutschland.

Der Golem spielt im Jahr 1920 nochmal eine Rolle. Denn „Der Golem, und wie er in die Welt kam“  war Regisseur Paul Wegeners dritte Beschäftigung mit dem Golem-Thema und gilt heute als Klassiker des Genres. Deutschland sollte aber noch weitere Klassiker produzieren.

Das Cabinet des Dr. Caligari“ aus dem Jahr 1920 von Regisseur Robert Wiene gilt als Meilenstein des Films und als Inspiration zahlreicher Regisseure. Unter anderem haben sich Tim Burton und Terry Gilliam vom Stil des Films beeinflussen lassen, der seinerzeit absolut einzigartig war. Selbst heute gibt es nur wenig Vergleichbares. Im Jahr 1933 wurde der Film in Deutschland verboten und im Jahr 1937 zur entarteten Kunst erklärt. Erst nach Ende der nationalsozialistischen Übernahme

Ebenfalls ein Meilenstein ist „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ aus dem Jahr 1922. Friedrich Wilhelm Murnau schuf damit die erste Adaption des Dracula-Stoffes. Das führte zu einem Urheberrechtsstreit, in dessen Folge im Jahr 1925 alle Kopien des Films vernichtet werden sollten. Glücklicherweise für uns und die Filmhistorie überlebten einige Kopien und wir können uns auch heute noch diesen Horror im Film anschauen.

Horror im Film: Ein Mann steht auf einer schmalen Mauer. Diese hat zwei Fenster. In seinem Armen hält er eine Frau im weißen Kleid, die bewusstlos ist
„Das Cabinet des Dr. Caligari“ aus dem Jahr 1920 von Regisseur Robert Wiene gilt als Meilenstein des Films und als Inspiration zahlreicher Regisseure — Das Cabinet des Dr. Caligari | 1920 ©Decla-Bioscop

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Deutschland geht unter, Amerika übernimmt den Horror im Film

Der aufkeimende Nationalsozialismus in Deutschland beendet vorzeitig das goldene Zeitalter für den Horror im Film. Regisseure wie Wiene mussten fliehen und der deutsche Film versandet. Allerdings gelingt es Hollywood, dieses Zeitalter für den Horrorfilm weiterzuführen.

Das gelang dem Produktionsstudio Universal mit den heute uns allen bekannten Monster-Verfilmungen. Angefangen mit Bela Lugosi als „Dracula“ im Jahr 1931 gelang es Universal die 1930er Jahre hindurch mit Filmmonstern wie „Frankenstein“, der „Mumie“ oder dem „Unsichtbaren“ den Horror im Film um den sogenannten „Gothic Horror“ zu bereichern.

Im Jahr 1941 folgte nach 10 Jahren noch ein neues Monster mit „The Wolf Man (Der Wolfsmensch)“ auf der Leinwand. Dann flachte allerdings durch den Zweiten Weltkrieg das Interesse am Horror verständlicherweise erneut ab. Universal unternahm noch einige Versuche, mit ihren Monstern Erfolge zu wiederholen, schwenkte dann aber in eine andere Richtung und verfrachtete den Horror im Film bis in die 1950er Jahre hinein in das Komödienfach.

Die Universal-Monster wurden auf das Komiker-Duo Abbot und Costello losgelassen und blieben dadurch weiterhin relevant. Im Jahr 1954 gelang es Universal sogar noch einmal, mit dem neuen Monster „The Creature from the Black Lagoon (Der Schrecken vom Amazonas)“ einen großen Erfolg zu verzeichnen, bevor diese Ära zu Ende ging.

Es wird tierisch

Die 1950er Jahren boten aber noch anderen Horror im Film. Beliebt waren vor allem Tiere. Regisseur Jack Arnold, der auch den Schrecken vom Amazonas drehte, ließ mit „Tarantula“ eine Riesenspinne auf die Menschheit los. Der Film war zwar ein klassischer B-Movie, erlangte aber einen gewissen Kultstatus, aufgrund der fähigen Umsetzung und glaubwürdigen Handlung.

Passion of Arts Tarantula
Raketen sollen die Riesentarantel töten — Tarantula | 1955 ©Universal

In Japan zerlegte Riesenechse „Godzilla“ ganze Städte. Wenn auch nicht direkt Horror, ist das Element des Riesenmonsters nicht ganz weit vom Genre weg. Allerdings begründete Godzilla stattdessen sein eigenes Genre. Japan sollte später noch seine große Zeit für den Horror im Film bekommen.

Außerdem gibt es auch Riesenameisen in „Them! (Formicula)“, Riesentruthähne in „The Giant Claw (Die Riesenkralle)“ und Menschen, die sich in Fliegen verwandeln, in „The Fly (Die Fliege)“. Letztgenannter ist bekannter in Form des Remakes von David Cronenberg mit Jeff Goldblum in der Hauptrolle aus dem Jahr 1986.

Die nahe Zukunft brachte dann ganz neue Richtungen hervor und der Horror im Film entwickelte sich so schnell weiter wie kaum ein anderes Genre. Das schauen wir uns im zweiten Teil dieses Rückblicks an.


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MARCEL – Autor
Irgendwie ist es mir tatsächlich gelungen, vom Schreiben leben zu können. Dadurch habe ich eine meiner Leidenschaften zu meinem Beruf gemacht. Die zweite Leidenschaft sind Filme. Diese Leidenschaft musste in den letzten Jahren stark zurückstecken. Ich habe schon als Kind ständig Filme geschaut. Daraus habe ich einen Sammeltrieb entwickelt. Dieser macht sich mit über 1.000 Filmen auf DVD und BluRay in meiner Bude breit. Ich war außerdem der selbsternannte Leiter des Filmschrottplatzes (manche werden sich erinnern). Nachdem ich aus Zeitgründen und auch, weil die Filmbranche sich meiner Meinung nach in eine absolut falsche Richtung entwickelt hat, alles lahmgelegt habe, entfacht sich gerade die Flamme der Leidenschaft neu.

Team von Passion of Arts - Deine Film Community

 

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5 Kommentare

    1. “Was wären wir heute ohne Georges Méliès?”

      Ist natürlich ein interessantes Gedankenspiel, was wäre, wenn so ein Vorreiter nicht existiert hätte? Hätte stattdessen jemand anderes ähnliche Ideen verwirklicht? Wäre die Entwicklung genauso schnell vorangegangen?

      Was “Tarantula” angeht, mag er sicher nicht der spannendste Vertreter seiner Zunft sein, aber er war schon wichtig und für damalige Verhältnisse natürlich schon beeindruckend. Ich denke mir bei solchen Filmen immer, dass ich gerne mit einer Zeitmaschine in die Kinopremieren reisen würde, um zu sehen, wie die Leute damals auf solche Filme reagiert haben. Wo heute ständig mit Quatsch wie “die Leute sind aus dem Kino gerannt” geworben wird, war das damals vielleicht wirklich fast so.

      1. Formicula kam ein Jahr vorher ins Kino und der ist irgendwie beängstigender als Tarantula. Allein dieser unterschwellige Grusel in der Wüste.
        Tarantula war natürlich auch schon was damals.
        Auch nicht zu verachten: Blob – Schrecken ohne Namen von 1958.
        Ich liebe diese alten Filme.

        1. Ja, da gibt es einige Knaller aus der Zeit. Tarantula hatte natürlich den Vorteil, dass Regisseur Jack Arnold zu der Zeit in B-Movie-Kreisen hoch gehandelt wurde. Ich würde aber ohnehin sagen, dass er weniger für seinen Grusel bekannt war, sondern für Spektakel. Ein wenig vergleichbar mit Blockbustern, die es da in der uns bekannten Form ja noch nicht gab.

          und ich glaube, man hat aus heutiger Sicht auch einen anderen Blick auf die Konkurrenzsituation damals. Da kamen die Filme ja nicht am Fließband, wie das heute der Fall ist. Da ist so eine Riesenspinne eben schon noch was besonderes gewesen, auch wenn es vorher schon Ameisen gab.

          1. Der Einzige, der Fließbandarbeit gemacht hatte, war Méliès. 😆
            Ich denke auch, dass es u.a. auch mit Jack Arnold zusammenhing.
            Ist ja wie mit Ray Harryhausen. DER Gott der Stop Motion. 🙂

            Diese Zeitreise zurück zu den Premieren, das würde mich auch reizen. Besonders natürlich bei Nosferatu und Metropolis aber auch bei Formicula. Keine Ahnung, wie oft ich den schon gesehen habe.

            Ich träum ja immer noch von einem Lego – Blob. 😆

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