Filmrezension: Im Westen nichts Neues

Passion of Arts Im Westen nichts neues

Ich hab mal wieder eine Filmrezension für euch. Diesmal zu der Neuverfilmung des Literaturstoffes „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque.

„Im Westen nichts Neues“ aus dem Jahr 2022 ist ein deutsches Anti-Kriegsdrama, basierend auf dem gleichnamigen Roman des deutschen Autors Erich Maria Remarque von 1928. Dieser verarbeitet semi-biographisch die erlebten Schrecken des 1. Weltkrieges. 

Inhalt:

„Im Westen nichts Neues“ ist ein Anti-Kriegsfilm von Edward Berger mit Felix Kammerer, Albrecht Schuch, Aaron Hilmer, Daniel Brühl und Moritz Klaus.

Diese Netflix-Produktion ist nun bereits die 3. Verfilmung des gleichnamigen Buches von Erich Maria Remarque. Der Film von Edward Berger ist jedoch die 1. deutsche Verfilmung des Stoffes. 

1917: Seit 3 Jahren herrscht Krieg in Europa und der 17-jährige Paul Bäumer (Felix Kammerer) kann es mit seinen Freunden kaum erwarten, endlich selbst in den Krieg zu ziehen. Paul und seine besten Freund*innen Albert (Aaron Hilmer) und Müller (Moritz Klaus), sehen sich schon an der Front und anschließend in Paris den Sieg feiern. Voller Optimismus melden sie sich freiwillig für Gott und Vaterland an die Westfront ziehen. 
Die Euphorie, die ihnen vorher von ihrem Lehrer eingetrichtert worden war, ist jedoch nur von kurzer Dauer. An der Front im Schützengraben angekommen fällt schon der erste Gewehrhagel, Granaten und gefährlichere Sprengsätze. Die nackte Angst sitzt den jungen Rekrut*innen täglich im Nacken gepaart mit Leid und Trauer. 
Nun lernen sie das wahre Gesicht des Krieges kennen und finden sich in einem täglichen Überlebenskampf wieder. Eine Rückkehr nach Hause ist nicht möglich, denn wer sich für das Vaterland verschrieben hat, der muss weiter machen, bis zum bitteren Ende. 

Meinung:

„Im Westen nichts Neues“ ist die mittlerweile 3. Verfilmung des Stoffes. Jedoch das erste Mal als deutsche Verfilmung und auch die deutsche Einreichung für die Oscars 2023. Die erste Verfilmung von 1930 konnte sogar den Oscar als Best Picture gewinnen. 

Es fällt mir schwer Worte zu finden die mein Entsetzen und meine Abneigung für Krieg umschreiben. Ich habe nicht umsonst den Wehrdienst verweigert und dieser Film zeigt ungeschönt, direkt und abstoßend, was meine damalige Intention war und auch heute noch ist. Bereits in den ersten Minuten werden den Zuschauer*innen ein Kreislauf von Kleidung gezeigt, mit dem man direkt sieht, was für eine Verschwendung von Leben ein solcher Krieg darstellt. Die nächsten 2,5 Stunden sind dann fast ausschließlich mit den Schrecken und Grausamkeiten des Krieges gefüllt. Eingebettet in einem Score der unter die Haut geht. Und einen jedes Mal einen kalten, unheilvollen Schauer über den Rücken laufen lässt, wenn die drei tiefen Töne des Hauptthemas erklingen. Superbe!

Nicht nur auf der akustischen Ebene überzeugt „Im Westen nichts Neues“, sondern auch auf der visuellen. Die Kameraarbeit ist so unglaublich stark. Erinnert an Größen des Genre wie „Hacksaw Ridge“ oder dem, ohne sichtbare Schnitte gefilmten, „1917“. Der Film braucht sich vor der internationalen Konkurrenz in keinem Moment verstecken. Auch hier: Superbe!
Schauspielerisch setzt man auf eher unbekannte Gesichter, was der Authentizität aber einen deutlichen Anstieg verleiht. Für Felix Kammerer, der den Hauptcharakter Paul Bäumer verkörpert, ist es sogar sein Spielfilm Debüt. Ein Daniel Brühl als Minister Matthias Erzberger wirkt dabei schon fast fehl am Platz. Und reißt einen aus dem aufgebauten immersiven Gefühl. Das soll absolut keine Kritik am Schauspiel von Brühl sein. Lediglich sein bekanntes Gesicht bringt das Kartenhaus dieser Illusion zum Wackeln. Aber abseits der audiovisuellen Umsetzung transportiert „Im Westen nichts Neues“ ganz viel.
Neben dem Gefühl von absoluter Sinnlosigkeit, zeigt er halt auch die absurden und realitätsfernen Machtspiele der alten Generäle und Kriegstreiber, die selbst nicht an der Front stehen und die viel zu jungen Soldat*innen skrupellos als billiges Kanonenfutter in den Tod schicken. Es werden klaustrophobische Schützengräben gezeigt, in denen die Soldat*innen, getroffen von Gewehrkugeln, sterbend liegen, von Panzer gnadenlos zerquetscht und von, mit Flammenwerfer bestückten Soldat*innen bei lebendigen Leib verbrannt werden. Im Zweikampf wird alles zu einer tödlichen Waffe, egal ob Stahlhelm oder Schaufel. Hauptsache der Feind stirbt. Ohne jegliches Gewissen oder Reue zu zeigen. 

Man fragt sich bei den Bildern unweigerlich wie Kriege überhaupt entstehen und über so lange Zeit durchgeführt werden können. In Frankreich, wo der Film spielt, wurde in der Zeit zwischen 1914 und 1918 um nur wenige hundert Meter gekämpft. Mehr als 3 Millionen Menschen verloren in dieser Region ihr Leben. Über 17 Millionen Menschen in Gänze während des 1. Weltkrieg. Unfassbar. Am Ende geht es, wie so oft im Leben, um Egoismus, Ehrgefühl und Machthunger, die wenige, gierige Menschen antreibt, unschuldige Menschen für ihre Ziele sterben zu lassen. Was man aktuell sehr gut beim Russland/Ukraine Konflikt sehen kann. Ich schweife ab. 

Auch wenn historisch gesehen einiges im Film „Im Westen nichts Neues“ nicht den Tatsachen entspricht und sich von der Optik wohl mehr an vorherigen Anti-Kriegsfilmen oder Computerspielen, wie Battlefield bedient wurde, anstatt an der Realität, ist die Wirkung keinesfalls gemindert. Wo sich ein „Hacksaw Ridge“ vielleicht ein wenig zu heroisch Hollywood-lastig und ein „Komm und sieh“ zu dokumentarisch anfühlt, fügt sich „Im Westen nichts Neues“ optimal in der Mitte ein. Er ist ein Film, den man gesehen haben sollte, obwohl er an vielen Stellen fast unerträglich ist. 

Fazit:

Kurz, „Im Westen nichts Neues“ ist ein Film, der sich hinter großen, internationalen Produktionen nicht verstecken muss. Und selbst für eine deutsche Produktion erschreckend undeutsch wirkt. 

„Gib nem Menschen Macht … Der Mensch ist ’n Biest.“

Im Westen nichts Neues — 2022

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TRAILER: ©Netflix

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TIMO – Autor
Ich bin 1981er Baujahr und seit über 25 Jahre Filmliebhaber durch und durch. Besonders Horrorfilme haben es mir angetan. In meinem Podcast ‚Once Upon A Time In Cinema‚ spreche ich jede Woche mit zwei Freund*innen über aktuelle Filme und Serien und was wir gerade gesehen haben. Auf Letterboxd.de schreibe ich nun bereits seit 2 Jahren unter dem Namen ‚traab‚ Kritiken und neben dem Filmeschauen bin ich beruflich als Fotograf unterwegs und lasse mich dort kreativ aus.

Webseite: timoraab.de

Passion of Arts: Timo Raab steht vor einem hellen Kreis und trägt eine Sonnenbrille. Seine Haare sind lang. Die Fotografie ist schwarz-weiß

 

Andere Meinungen:

Der Siegmund @ouroboros
So können die Soldaten in jedem anderen sog. Anti-Kriegsfilm trotzdem zu Helden werden, was für den Zuschauer sicherlich wohlgefällig ist, doch bei „Im Westen nichts neues“ existiert der Held genauso wenig, wie der Anti-Held, es gibt nur Futter für die Kanonen. Im Vergleich, zum dem mit dem Oscar ausgezeichneten Klassiker von 1930, könnte also die Herausforderung für die Neuverfilmung nicht größer sein. Nun ist die Neuverfilmung am 28.10.2022 auf Netflix erschienen, war der Film einen Monat zuvor ausgewählten Kinos bereitgestellt worden.

Bildsucht
Schon der Beginn ist ein Highlight: die verdreckten, blutgetränkten Uniformen getöteter deutscher Soldaten werden gesäubert, Einschusslöcher im Stoff geflickt, anschließend aufgehängt; rotes Wasser tropft auf den Boden. Dann lernen wir den Protagonisten Paul Bäumer (Felix Kammerer) kennen, einen kriegsbegeisterten Schüler, der die Propaganda seines Landes wie ein Schwamm aufgesogen hat. 

Filmrezensionen.de
„Im Westen nichts Neues“ reduziert den Romanklassiker fast ausschließlich auf die Erfahrungen an der Front und ist auch bei der Figurenzeichnung minimalistisch. Aber es gelingt der Adaption sehr gut dabei, die Sinnlosigkeit des Krieges zu veranschaulichen, wenn zweieinhalb Stunden lang ein in Grau erstarrter Tod durch die Schützengräben streift, unentwegt Opfer sucht und nichts davon einen Unterschied macht.

Wie ist der Film
Trotz fraglicher Entscheidungen schaffen Netflix und Berger eine würdige Neuinterpretation des Antikriegsdramas auf Hollywoodniveau, malerisch gefilmt, druckvoll vertont und intensiv gespielt. (Nur leider bestehen viele Dialoge aus unverständlichem Nuscheln; ein beständiges Problem deutscher Filme.) „Im Westen nichts Neues“ trifft, wo er soll: in Herz und Magengrube.

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3 Kommentare

  1. Ich finde diese Neuinszenierung besser als die beiden Vorgänger, wobei der erste für die damalige Zeit schon außergewöhnlich war und zusammen mit der Neuverfilmung die mittlere Interpretation in den Schatten stellt.

    Ich denke nicht, dass man sich von der Erstverfilmung und von den Intentionen Remarques entfernt hat, sondern einfach eigene Pointen auf Basis von Remarques Programmatik gesetzt hat.

    War es in der Erstverfilmung der Stiefel, ist es in der Neuverfilmung die ganze Uniform mit den Namensschild. Gerade tot genug, werden die Gefallen entkleidet, um von emsigen Arbeitern in einem Massengrab zugeschüttet zu werden. Die Kleidung und sonstiges brauchbares Material wird der Wiederverwertung zugeführt. Zuerst wird alles auf LKWs verladen und zur Wäscherei transportiert. Nach dem Waschen werden sie in der Näherei ausgebessert und schließlich landen sie wieder im Regal, bereit zur Ausgabe an den nächsten Helden in Spé. Paul entdeckt das Namensschild seines Vorgängers im Kragen der Uniform, bleibt aber nichtsahnend, dass darin gefühlt bloß ein Tag zuvor ein Kamerad gestorben ist.

    So erschütternd, wie diese blutgetränkte Szenen, ist jene von den Besitzern wechselnder Lederstiefeln in der Erstverfilmung nicht, auch wenn sie fast den gleichen Zweck erfüllte. In der Neuverfilmung überblickt der Zuschauer den ganzen gnadenlosen Kreislauf, eines menschenfressenden Systems und ahnt, dass in dieser Uniform vielleicht nicht nur ein einziger Mensch gestorben ist, sondern noch viele andere und das Paul und seine Kameraden nicht die letzten sein könnten Diese Enthüllung, die man nur dem Zuschauer in der parallelen Antithese zur heroischen Rede des Schulleiters vorführt, wird zur drastisch erfahrbaren Parabel der industriellen Auslöschung von Menschenleben im Krieg.

    Das ist nicht die einzige Szene, die in Mark und Bein erschüttert, wo diese Antithetik deutlich wird.

    Gegenüber den Vorgänger ist doch das Remake deutlich technisch besser und das Schauspiel ist zeitgemäß und authentisch, damit also performanter. Bei aller Liebe zur Erstverfilmung, das muss man auch berücksichtigen.

    Die größte Abweichung gibt es mit der Figur des Postboten. Himmelreich geht in der Figur des Generals auf, in fast allen Punkten. Man sieht ihn zwar nicht weinend im Schützengraben oder als Ausbilder, wo er doch vorher heroische Reden geschwungen hat, aber auch der General ist ein Aufsteiger aus dem Bürgertum, dem die Macht zu Kopf gestiegen ist und er bildet die Programmatik Remarques mit der „Distanz zum Schlachtfeld“. Zusätzlich transportiert er einen besonderen Zusatzaspekt, nämlich die Pointierung der Dolchstoßlegende, die Remarque gar nicht verarbeitet hat, obwohl sie historisch so wichtig ist, um auch den zweiten Weltkrieg zu erklären. Ja verdammt, warum hatten die nach so einem Film nichts kapiert?!

  2. Mir hat der Film nicht so gut gefallen. Meiner Meinung nach haben sich Lesley Paterson, Edward Berger und Ian Stokell den Titel und die Figuren zu Eigen gemacht um eine Kriegsgeschichte zu erzählen. Allerdings hat die mit der Buchvorlage absolut überhaupt nichts zu tun. Die paar Passagen, die aus dem Buch sind, wurden komplett geändert, was ich gar nicht nachvollziehen kann. So ist für mich „Im Westen nichts Neues“ ein Kriegsfilm, der besonders intensiv darstellt, wie grausam der Krieg ist. Die Szene, als der Panzer in den Schützengraben einbricht, wird mich mein Leben lang verfolgen.

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