Oder warum ein Opernhaus im Dschungel nicht an Eisbergen scheitert.
In meinem heutigen Artikel “Der ungekrönte König „Fitzcarraldo“ und die Selbstproklamation Jack Dawsons” nehme ich Bezug auf Leonardo DiCaprios Charakter aus „Titanic“ im Vergleich zu Klaus Kinski in „Fitzcarraldo“.
Einleitung
Folgende Abhandlung ist in Folge eines Waldspazierganges mit einem bewanderten Philologen entstanden, der in den Entstehungsprozess mehr als nur inspirierend eingebunden gewesen ist.
Wie jeder gute Gedanke, kann auch in meinem Artikel „Der ungekrönte König „Fitzcarralldo“ und die Selbstproklamation Jack Dawsons“ die Entstehung des Funkens nicht hinreichend aufgeklärt werden. Noch wäre eine Zurückverfolgung von irgendeiner Bedeutung für die folgenden Überlegungen, die weder Anspruch auf vollkommene Einordnung noch Gewähr für eine interessante Lektüre bieten.
Der Beitrag „Der ungekrönte König „Fitzcarraldo“ und die Selbstproklamation Jack Dawsons“ ist ein Kommentar zu zwei Filmen mit männlichen Hauptdarstellern, die sich den großen Fragen des Lebens stellen.
Der eine stirbt am Ende jung, der andere raucht Zigarre und altert weiter. Der eine heißt Fitzcarraldo (Klaus Kinski), der andere Jack Dawson (Leonardo DiCaprio). Dem Lesefluss halber wird im Folgendem hauptsächlich auf die Initialen zurückgegriffen.
Titanic hat eine Rahmenhandlung, in der Rose (Kate Winslet) die Geschehnisse auf der Titanic erzählt, ohne dass das Drehbuch mit der Idee des unzuverlässigen Erzählers spielt. Es wäre dem Pathos abträglich, wenn auch nur ein Hauch von Zweifel und Wahn in die Geschichte einzöge. Da anstelle der ruhmreichen und feststehenden Ereignisse doch die zweifelhafte innere Konstitution des Individuums tritt, wie sie etwa Christopher Nolan in seinen frühen Werken einem breitem Publikum präsentiert hat. Auch wagt es keiner der Zuhörer ein kritisches Wort an die ältere Dame zu richten, womit das Klischee der ehrwürdigen, alten Dame vollkommen zur Geltung gebracht wird.
Fitzcarraldo ist als rein lineares Werk beinahe auf dokumentarische Art und Weise konzipiert, der die großen Fragen den kleinen Köpfen der Zuschauer überlässt.
Und jetzt zur Sache
Klaus Kinski. Werner Herzog. Fitzcarraldo.
Zwei Namen. Ein Titel.
Legende. Mythos. Märchen. Und alles, was dazwischen liegt.
James Cameron. Leonardo DiCaprio. Kate Winslet.
Drei Namen. Eine große Produktion.
Blockbuster. Märchen. Dollar. Und alles, was im Wege steht.
Im Folgendem Artikel „Der ungekrönte König „Fitzcarraldo“ und die Selbstproklamation Jack Dawsons“ werden die beiden Geschichten vor allem auf Inhalts- und Deutungsebene miteinander verglichen. Insbesondere die innere Motivation, Selbstsicht und der Standpunkt zur „Liebe“ wird in der Frage nach der Botschaft der zwei Charaktere kulminieren, dem sich im Epilog die Frage anschließt, von wem das Publikum mehr lernen kann.
Kenntnisse über die grobe Handlungsstruktur sind der Lektüre sicher zuträglich, werden aber nicht zwingend vorausgesetzt.
Beginn der Reise – Wir brauchen Geld
Beide brauchen zu Beginn der gezeigten Geschichte Geld.
F. nutzt das Geld seiner Geliebten, um ein Kautschuk-Unternehmen in die Gänge zu bekommen. Nach dem Scheitern des Projekts verwirklicht F. durch Verkauf des Schiffes seinen Traum. Oder sollte man eher von Vision sprechen? Auf einmalige Art und Weise.
Somit hat F. sein Ziel hoch gesteckt, während J. mit einem vagen Gefühl von Abenteuerlust in neue erfolgsversprechende Gefilde aufbricht. (Vager amerikanischer Traum, der noch nicht konkretisiert worden ist. Aber irgendetwas mit Freiheit, die von außen nach innen wirken soll, zu tun hat. Freiheit, in der es uns erlaubt sein soll, Sachen auf uns zuzuschneiden, als uns den Umständen anzupassen, um mit dem Modezar Karl Lagerfeld zu sprechen).
Das Kartenspiel, in dem Jack (Leonardo DiCaprio) die Tickets für sich und seinen Freund gewinnt (was als Reduktion von Schein gegen tatsächliche Leistung somit auch als „Geld“ zählen kann), dient zum einen als rein handlungsauslösendes Element. Und zum anderen als Charaktereinführung Jacks, der als selbstsicherer und verschmitzter Junge von der Straße mit Entwicklungspotenzial zum Gewinnertypen dargestellt wird.
Auch Fitzcarraldo (Klaus Kinski) wird Zeuge eines Kartenspiels betagterer reicher Herren, von denen der Verkäufer und späterer Rückkäufer des Schiffes – und selbst erfolgreicher Kautschukhändler – seine Sehnsucht nach dem wunderbaren Gefühl, Geld zu verlieren, zum Ausdruck bringt. Dass Geld ihm nichts mehr bedeutet, unterstreicht er durch die Fütterung seiner Kois mit Geldscheinen.
Er sieht kein höheres Ziel mehr im Leben und wettet auf das Scheitern des Projekts.
Ein menschlicher Tiefpunkt.
Die angebotene Brücke zwischen dem vereinenden Handlungselement und den Produktionen hinter den Geschichten, die auch beiderseits viel Schweiß, Mühe und Überzeugungskunst bedurfte, soll rasch überschritten werden und kann auch übersprungen werden. Ohne Einbußen beim Verständnis der nächsten Abschnitte.
Einschub: Dreharbeiten
Fitzcarraldo wurde 1980/81 mit 14 Mio. DM gedreht.
Titanic verschlang 1996 ca. 200 Mio. $.
Fußnote: Der Betrag lässt insofern aufhorchen, als dass die echte Titanic kostete inflationsbereinigt auf das Jahr 1997 lediglich 150 Mio. $ kostete.
Die Urgewalt menschlicher Willenskraft begegnet uns bei Werner Herzogs Werk freilich vor als auch hinter der Kamera.
So entfesselt Klaus Kinskis Schauspiel einen wahnhaften Sog.
Die Dreharbeiten, die einen Vergleich zu „Apocalypse Now“ nicht zu scheuen brauchen, zeugen von dem Willen Herzogs Kunst um der Kunst Willen zu machen, was auch ein Leitmotiv Fitzcarraldos darstellt.
Die Kamera blickt zwar nur in eine Richtung, aber auch durch Kenntnis der Produktionsumstände entfaltet sich die Bandbreite wahnhafter Kunst.
Der über die Produktionsumstände in Unwissendem gelassene Rezipient kann freilich das Leitmotiv im gleich großen Maße erkennen wie derjenige, der das Werk zusätzlich aus filmhistorischer Sicht würdigt.
So kann die Genehmigung des realen Schiffes durch die Produzenten durchaus als eine Leistung Herzogs verstanden werden, die der eigentlichen Tat Fitzcarraldos gleich kommt. Die übermenschlich erscheinende Tat ist nicht mithilfe von visuellen Effekten auf die Leinwand gebracht worden. Der Film fungiert vielmehr als Aufnahme eines realen Wahns.
Und auch die Besetzung Klaus Kinskis, der ohnehin immer zwischen eigengezüchtetem Fantasieprodukt und fremdgenutzten Wahn steht, tut ihr Übriges hinzu.
Werner Herzog ging es als Autor um Verwirklichung seiner künstlerischen Vision. Gegen die widrigen Umstände der Produzenten und Dreharbeiten und nicht zuletzt gegen seinen Hauptdarsteller. So steht die Szene im Glockenturm („Diese Kirche bleibt so lange geschlossen, bis ich meine Oper habe! Ich will mein Opernhaus!!!“) stellvertretend für den Kampf für die Oper als freie Kunst- und Ausdrucksform als direkter Vorläufer zum Kino. Somit kann „Fitzcarraldo“ auch als Kampf für die Kunst selbst aufgefasst werden.
Der rein filmtechnisch visionäre Regisseur James Cameron ordnete sich den Erwartungen des Marktes unter, um ein optisches Meisterwerk, das inhaltlich konservativ bleibt, zu kreieren. Die Kritik der Produzenten fand sich nicht auf inhaltlicher Ebene, sondern auf Ebene der Spielfilmlänge. Wobei hier fraglich bleiben wird, ob Titanic wirklich ein anderes Ergebnis eingefahren hätte, wenn man ihn um eine Stunde gekürzt hätte. Der Unterschied zu Werner Herzogs Film liegt jedoch darin, dass die Kämpfe des Regisseurs sich nicht in seinem Werk entfalten.
Aufgrund der sich entgegen der Voraussagen der Produzenten heraus kristallisierten Massenkompatibilität war Titanic für Leonardo DiCaprio, der schon vorher als Schauspieler brillierte, der Durchbruch zu weltweiter Bekanntheit. Und damit eng verbundenen Millionenverträgen. Die 3D-Konvertierung Titanics mit Wiederverwertung im Kino & Co. ist Fitzcaralldo bisher erspart geblieben. Fitzcarraldo besitzt genug Dreidimensionalität – auch ohne technische Verspieltheit.
Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass der finanzielle Welterfolg Titanic sich auch heute noch hoher Beliebtheit im Mainstream erfolgt, während der Filmklassiker zwischen dem übrigen Kanon Staub ansetzt.
Die Umsetzung Titanics auf technischer Ebene vermag es nicht, diese auch auf inhaltlicher Ebene zu nutzen. Während hingegen Fitzcarraldo als ein wahnsinniges Filmprojekt von wahnsinnigen Personen, mit wahnsinnigem Aufwand, das Grundmotiv so quasi atmet. Und mit jeder neuen Kameraeinstellung neu in das Innenleben des Rezipienten haucht.
Der Einwand, dass nicht jeder Film eine so enge Nähe zwischen dem Grundmotiv und den Beweggründen des Regisseurs bieten kann bzw. muss, kann selbstverständlich wenig zwingend Überzeugendes entgegnet werden.
Doch was bewegt unser Innerstes mehr? Eine leidenschaftlich gefilmte Aufnahme einer herkömmlichen Liebesgeschichte oder ein Film, der die Leidensbereitschaft in uns weckt?
Nach dieser allzu lang geratenen Stippvisite hinter der Kamera, wollen wir uns auf die Suche nach den grundlegenden Konflikten begeben.
Zur Sinnfindung
Dass beide Filme Bilder liefern, für die die großen Leinwände in unseren Städten hochgezogen worden sind, steht außer Frage. Nur welche Motive wecken die Bilder in uns?
Künstlerisch wertvolle Bilder müssen in der Lage sein, die Trägheit des eigenen Herzens, die Neigung dazu, Dinge aufzuschieben oder nur in ausreichendem Umfang zu erfüllen, überwinden zu können. Es muss „Glauben“ in uns auslösen.
So will F. die Oper niemals aus Egozentrik erbauen, sondern er setzt sein Leben für die Kunst ein. Ob dies als Egoismus bezeichnet werden kann, wird nicht beantwortet. Die Einführungssequenz des Charakters wirft einen erhellenden Schein auf diese Frage. So paddelt Kinski zwei Tage und zwei Nächte zur Oper. Und hält zum Beweis seine bandagierten „Stigmata“ dem Diener vor das Gesicht. Für den Kunstgenuss geht er also bis zum äußersten und findet in dem Diener auch einen wohlgesonnenen Genossen. Nicht, weil er Angst vor F. hätte, sondern weil auch er sich als Freund der Oper zu erkennen gibt. Das Bild des rohen Wilden wird schon in diesem frühen Stadium des Films konterkariert. Letztlich kann diese Eingangssequenz als Foreshadowing für den restlichen Film betrachtet werden. F. bemüht sich mit äußersten Leibeskräften, in den Kunstgenuss zu treten, bekommt diesen aber nur im letzten Zupacken sehr verkürzt, dafür umso intensiver.
Das Unverständnis anderer über dieses Vorhaben äußert sich in der Meuterei seiner Besatzung. Der durch die Ureinwohner drohende Tod wird mit Verdi überwunden. Die Kunst siegt schon über die Natur, als der Flussdampfer noch auf dem Wasser fährt.
F. tut nicht alles, um einen kosmischen Zweck bzw. eine höhere Seins-Stufe zu finden. Aber er zieht ein Schiff über den Berg. Ein Verweis auf Sisyphos wäre schnell herbeigeführt, aber irreführend.
Sisyphos lebt seine Strafe, ohne dass er ein höheres Werk vor Augen hätte, als den Stein tagtäglich auf den Berg zu rollen. Fitzcaralldo sieht es freiwillig als seine Bestimmung an, ein Schiff einmal über den Berg zu hieven, um eine Oper im Dschungel zu finanzieren.
Der Dschungel samt seinen naiven Ureinwohnern ist seine grüne Spielwiese. Die Ureinwohner sind nicht in dem Sinne naiv, als dass man sie als zurückgeblieben bezeichnen könnte. Ihre technologische Rückständigkeit und ihr anderes Kulturverständnis, welches sich in dem Mythos des weißen Mannes manifestiert, gehen eine unwiderstehliche Melange für F. ein. Er kann die Indios für seine angestrebten Zwecke benutzen, weicht jedoch von dem Diktat des Kapitalismus insofern ab, als dass er sich einem höheren Zweck als Geld und Gut verschreibt und sich so jenseits aller Moral wähnt.
Die Indios selbst sind nicht an dem westlichen Konzept des Kapitalismus interessiert. Sie lassen sich aus Gründen, die im Unklaren bleiben, für die Produktion einspannen. Werden dadurch aber selbst nicht reicher und stellen ihren Lebensstil nicht in Frage oder ändern ihn zumindest nicht.
So will F. nach der Meuterei umkehren, woran die Indios ihn hindern.
Im Gegenteil könnte das Motiv der Indios als noch reiner als das Motiv F. gesehen werden. Da jene die bösen Flussgeister nicht nur durch die Musik, sondern mittels der Schnellstromfahrt mit dem Dampfer besänftigen wollen. Und hierzu Fitzcarraldos Leidenschaft für den Eigengenuss der Oper gebrauchen. F. möchte als einzige Person seine Vision von einer Oper im Dschungel realisieren. Während die Träume der Indios abseits der Realität existieren, was dieser aber erst merkt, als es schon zu spät.
Man muss allerdings die These nicht so spitz verteidigen, wie sie gegossen ist. Er hätte in diesem Fall das europäische Festland nie verlassen müssen. Und das Gewerbe seiner Frau, das nicht nur zeitlos, sondern auch rund um den Globus funktioniert, hätte dem Paar genug Geld für gelegentliche Opernbesuche in die Börse gespült. Doch F. will, dass auch alle anderen Oper hören, ob sie wollen oder nicht. (Europäisch-amerikanisches Oktroyieren, welches auch Martin Scorsese später in „Silence“ thematisieren wird).
Vor seinem Aufbruch spielt F. die Musik Kindern und einem Schwein vor. Er bezeichnet erstere auch als sein Wunschpublikum. Auf letzteres kommt er vor dem Grand Finale mit seiner Erwähnung des Versprechens an eben jenes zurück.
F. führt uns vor Augen, was es heißt, ein Ziel zu haben und darin voll selbstaufopfernd, aber nicht selbstverneinend, aufzugehen.
Titanic funktioniert dagegen als eskapistischer Tagtraum.
Man schmeichelt lediglich unserer scheuen Zurückgezogenheit, weil wir Js tragische Heldenreise nur schauen. Und uns lediglich der Evozierung sentimentaler Gefühle hingeben, die – wenn überhaupt – in nichts weiter als diffuse Gefühlsregungen, die beim nächsten Lärm des Alltags untergehen, enden.
Es findet sich kein Aufruf, dem Abenteuer zu folgen.
Das mögliche Argument, dass Jack Dawson (Leonardo DiCaprio) in der Erinnerung seiner Geliebten (Kate Winslet) weiterlebt, ist allenfalls eine affektiv-emotionale Reaktion des Publikums. Der Film vermeidet es, die tiefgreifende Frage zu stellen, wie man sein durch den Tod des Liebhabers gerettetes Leben führen sollte. Gleich der Zeitspanne zwischen Heirat und Tod
Seine künstlerische Tätigkeit beschränkt sich in der Geschichte als Teil der Werbung um Rose, die nach Sichtung ihres von J. angefertigten Portraits bald ihre Hand gegen die von innen beschlagene Scheibe als Ausdruck körperlicher Ekstase drückt. Letztlich bleibt aber, dass Jack seinen Sinn in der Rettung der Frau (erst durch das Abhalten vom Suizid; am Ende durch den Opfertod) gefunden hat.
Eine gewohnte Trope, vor deren Aufbrechen sich der Mainstream noch scheut. Man mag argumentieren, dass dies aus guten Gründen geschieht. Man mag diese Gründe auch nachvollziehen. Gute Unterhaltung ist damit garantiert, da nicht vom Gewohnten abgewichen wird; kein Grund zum Innehalten gegeben wird, kein Dagegen-Argumentieren notwendig wird, man nicht zu den stets auf eigene Weise verbohrten Annahmen vorzudringen vermag.
Welcher Mann wäre nicht für einen Nachmittag lang Jack Dawson? Ja ok – so einige Männer wohl nicht.
Aber welche Frau wäre nicht ein Leben lang Rose? Konkreter: sich ein Leben lang fühlen wie Rose?
Zur Liebe
Jack Dawson sucht das schnelle Abenteuer. Und gerät in den Genuss sentimentaler und erotischer Liebe, die in einer sich aus den unglücklichen Umständen ergebenen Selbstaufopferung zur Rettung der Frau mündet, die in einem reziproken Verhältnis zum „Frauen und Kinder zuerst“ steht.
„(…) verrückt nacheinander zu sein sei der Beweis für die Intensität ihrer Liebe, während es vielleicht nur beweist, wie einsam sie vorher waren.
Erich Fromm: Die Kunst des Liebens, 14
Manch Rezipient könnte sich am Ende wünschen, dass das Dargestellte „die Liebe“ ist.
Die fühlende, schmachtende, trachtende Liebe, die sich nicht nur in großen Worten ergießt. Die nicht fordert, die nur trägt und hält. Die Liebe, die es nicht gibt. Und die genau so wenig wie pornographisch dargestellter Geschlechtsverkehr erstrebenswert ist. Liebe, die menschlichen Herzen nie zu füllen vermag, sehr wohl aber die Kinokassen.
Der Grund des Verliebens wird in Hollywoodfilmen mit romantischen Elementen nie richtig erklärt. Und dass hat es auch nicht nötig. Man verliebt sich eben und in China fällt ein Sack Reis auf den Boden, aber keinesfalls gen Himmel.
Viel nötiger hätte es die Darstellung des alltäglichen Liebens, des Ringens, Kämpfens, Scheiterns und des Zurückfindens. Dieses wird kaum gezeigt. Wenn, dann häufig durch den Heldentod. Der nicht alltäglich ist und auch einen unvermeidlichen und aus gewisser Sicht auch erlösenden Schlusspunkt unter die Beziehung setzt. All das, was zwischen dem Hochzeitstag und dem „bis das der Heldentod euch scheidet“ liegt, wird im Mainstream nahezu ausgeblendet. Und wenn dann eher in Form seichter Komödien, statt als tiefschürfendes Drama angelegt.
Inwieweit sich der Opfertod Jacks der selbstlosen und aufopferungsvollen Agape-Liebe annähert, wird im Film trotz oder geradezu wegen der stark emotionalisierten Inszenierung nicht beantwortet. Und somit dem Rezipienten überlassen. So kann auch der Opfertod als egoistische Tat, die sich nur aus der Erlangung eines kosmischen Zwecks speist, gesehen werden.
Denn wie Fromm einwirft:
„Selbstaufopferung erscheint häufig Menschen als Lösung, die ein leidenschaftliches Verlangen haben zu lieben, denen aber die Fähigkeit zu lieben fehlt oder verlorengegangen ist und die Opferung ihres eigenen Lebens als den höchsten Ausdruck ihrer Liebesfähigkeit erfahren. Aber diese zur Selbstaufopferung entschlossenen jungen Menschen unterscheiden sich sehr wesentlich von den liebenden Märtyrern, die leben wollen, weil sie das Leben lieben, und die den Tod nur akzeptieren, um sich nicht selbst zu verraten.“
Erich Fromm: Haben oder Sein, S. 130
Jack Dawson aus Titanic kennt nur eine bitterkalte Nordsee, die den Gestaltungsspielraum zur Erreichung eines höheren Zwecks langsam einfrieren lässt.
Js Wille muss sich der rohen Natur geschlagen geben. Während seine letzte Tat ein Stück Altruismus im Echos des „Frauen und Kinder zuerst“ (Logik a priori) darstellt, welches die Männer als Helden sterben lässt und die Frauen als das Leben empfangende in Dankbarkeit dem Mann gegenüber „entlässt“. Dies zeigt sich dadurch, dass Rose Jacks Nachnamen Dawson zum Schluss annimmt und ein Leben lang behält.
Der Opfertod der Frau für den Mann bleibt somit weiterhin ein Tabu. Freilich wäre die reine Umkehr einer Trope, die ihrerseits keine Auseinandersetzung mit den zugrundeliegenden Elementen erfährt, in deutlicher Hinsicht genauso verzichtbar wie die ursprüngliche Trope selbst.
Fs Liebe zu seiner Frau, einer erfolgreichen Bordellbesitzerin, dient weniger als Triebfeder des Geschehens, auch ist sie nicht der warme Untergrund, das kosmische Trostpflaster für F., sondern sie existiert abgetrennt und außer Konkurrenz zu der Liebe Fs zur Oper, die ihn in einen Sog aus Wahnsinn, Hingabe und einer großen Portion Mut, Vertrauen und nicht zuletzt – Eitelkeit katapultiert.
Jack Dawson stirbt für – konkreter: an Stelle der Frau -; F. lebt für die Kunst. Seine Frau Molly ist von einem strahlendem Gemüt, die zwar mehr zu ihm als zu seinen stets wagemutigen Ideen hält, was sich in der Bitte, F. solle doch bitte „respektierlich“ werden, niederschlägt; doch für F., der sich ohnehin immer mit seinen Projekten identifiziert, ist das Einerlei.
Molly befreit ihren ins Ortsgefängnis gesteckten Gatten auch nicht aus selbigen, bringt ihn aber auf die Geschäftsidee mit dem Kautschuk. Sie möchte also, dass er Erfolg hat, sieht es aber nicht ein, ihn aus jeder selbst eingebrockten Situation zu befreien – und doch findet sie auch ganz zum Schluss ihr Lachen wieder, wobei sie weder mit noch über Fitzcaralldo lacht, sondern aus genuiner Freude.
Warum Titanic im Gegensatz zu F. keine Auseinandersetzung mit den tiefen Fragen des Lebens herausfordert, soll folgend exemplarisch aufgezeigt werden.
Eine Welt – Zwei Könige
Doch lange vor seinem Tod ruft sich der Habenichts Dawson in einer angeblich entweder von DiCaprio improvisierten oder auch verweigerten Szene zum „König der Welt“ aus.
Und zwar fühlt er sich als solcher am Bug des größten Schiffes der damaligen Weltgeschichte, aber was macht ihn zum König der Welt? Doch nur die Selbstproklamation. Und worauf sollte diese denn gründen außer seinem reinen Gefühl, das sich aus dem Erleben der verheißungsvollen Reise speist? Sollte ein Außenstehender die Szenerie Dawsons betrachten, könnte er – Wohlwollen für dessen Person vorausgesetzt – von einem verschmitzten Jungen mit viel Schneid und Abenteuerlust sprechen, der sich so fühlt, als hätte er „the time of his life“, während er doch sorglos in den Tag hineinlebt ohne auch nur ein Gespür dafür entwickelt zu haben, was ihm noch drohen könnte. Rundweg: Ein Junge, der noch ganz grün hinter den Ohren, ins Blaue aufbricht, um sein Licht zu finden oder in der Finsternis zugrunde zu gehen.
Die Selbstproklamation Jack Dawsons als „König der Welt“ wird durch F., der nach (!) seiner Tour-de-Force die wohl legendärste Zigarre der Filmgeschichte verraucht, kontrastiert. Hiermit soll nicht verhehlt werden, dass weder Worte noch inhaltslose Gesten den König zum König machen. Jedoch ist eine edle Selbstgenügsamkeit besser als eine hohle Behauptung, die der eigenen Person schmeichelt. Auch vermag es die einmalige Fahrt mit dem Dampfer nicht, F. zu einem stolzen, eitlen Wesen werden zu lassen, das er vielleicht tief in seinem Herzen ist. Doch kommt es auf diese Frage nicht an, da auch er sich aus dem Kampf mit der der rohen Natur als Gescheiterter geschlagen geben muss, doch als durch Demut belebter Gescheiterter, der nicht zu Boden gerungen worden ist, um fortan keine Motivation mehr zu finden, sondern der auf den Knien gehalten wurde, um sich in seinem Herzen nicht hochmütig auf seine gewalt´gen Taten auszuruhen.
Die Natur demütigt und führt ihn gleichzeitig zu heilsamer Erkenntnis; alles, was ein Mensch manchmal tun kann, ist ob dieser Wunderlichkeit eine Zigarre zu verrauchen und sich innerlich selbst gleichzeitig liebend und verlachend das große Grinsen der Nonchalance aufzusetzen.
Sein Unternehmen scheitert, er jedoch nicht. Auch liegt in dieser letzten Szene keine Spur eines rein individuellen Wahns, da sein Vorhaben von einem großen Publikum wahrgenommen wird. Auch liegt in dieser letzten Szene keine Spur eines rein individuellen Wahns, da sein Vorhaben von einem großen Publikum wahrgenommen wird. Die mit Herzblut Gescheiterten haben es zumindest wirklich versucht. Allein dies macht Fitz zu einem Koloss. Niemand sonst hätte sich an das Vorhaben herangewagt, und wer wird es denn je wieder tun?
Der Rausch und das Unmögliche
Auf beiden Schiffen wird nicht nur zum Schluss Musik gespielt.
Und beide Filme sind ein eindringliches Beispiel dafür, dass es keine absoluten Garantien oder Sicherheiten im Leben gibt und dass selbst scheinbar Unmögliches möglich werden kann.
Was im ersten Moment wie ein ermutigender Kalenderspruch wirkt, entpuppt sich als euphemistisch-delphische Version von Murphys Gesetz.
Der Untergang der Titanic und Fs Unterfangen unterlagen beide der objektiven Unmöglichkeit.
F. wird von seiner Vision und seinem Traum angetrieben, und trotz aller Widerstände glaubt er stets daran, seine Ziele zu erreichen.
Die Befehlshaber der Titanic schlugen die Warnungen ob ihres wahnhaften Glaubens an die Unsinkbarkeit der Titanic in den Wind und verursachten so die Katastrophe.
J. bricht in das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ auf und seine Beziehung zu Rose bringt ihn in eine doppelte Unmöglichkeit. Er darf Rose aus gesellschaftlicher Sicht nicht haben und er kann sie in Folge des sicherheitstechnisch nur bedingt antizipierten Naturereignisses nicht haben.
Auch die genretechnische Einordnung beider Filme bietet Aufschluss über die unterschiedlichen Ansätze.
Titanic entwickelt sich aus einer kurzen SchelmenEpisode hin zu einem sich intensivierenden Liebesfilm, welcher in einer melodramatischen Tragödie endet.
Die eine Geschichte hat eine Erzählerin, die andere Geschichte hat etwas zum Erzählen.
Fitzcaralldo kann als tendenziöse Fortschreibung von Don Quichotte betrachtet werden. Don Quichottes eskapistische Fluchten lassen in seinem Bewusstsein eine neue Realität entstehen. F führt selbst die Veränderung herbei, die er sich wünscht. Auf der einen Seite flüchtiger Wahn, auf der anderen Seite rauschhafte Taten.
Und doch sind Wahn und Rausch nicht so eindeutig voneinander unterscheidbar, gerade dann, wenn man selbst betroffen ist. Ob es Wahn oder Rausch war, stellt sich wohl oftmals erst danach heraus. Jedenfalls hat der Wahn stets eine kummervolle Seite, die oft schnell von anderen erkannt, schließlich von dem Betroffenen selbst durchlebt wird, falls dieser zur Erkenntnis seines Irrtums kommt. Rausch ist in diesem Rahmen nicht als alkohol-/drogeninduziertes Ereignis zu sehen, sondern vielmehr als Ausdruck ungetrübter Freude, in dem die Verwirklichung der Vision nicht länger Hoffnung ist, sondern fester Bestandteil der Realität.
Rose lernt Jack kennen und schwingt bei fetziger Musik auf den unteren Decks fröhlich das Tanzbein; gerade der Tanz kann durch sein Körper und Geist umfassendes Wesen den Moment des Rauschhaften blendend in Bilder gießen wie etwa bei der Endszene zu „Der Rausch“. Jedoch ist es vorliegend ein Tanz auf dem Vulkan bzw. ein Tanz vor dem Eisberg.
Aus hedonistischen Rausch wurde Wahn. Das gemeinsame Zusammenleben fernab aller gesellschaftlichen Konventionen verkommt zu Herzschmerz, der nur durch das apokalyptisch-orchestrale „Näher, mein Gott, zu dir“ adressiert werden kann.
In Fitzcarraldo ist die Musik „das Geschehen“. Nachdem Fitzcarraldo den Dampfer erfolgreich über den Berg gezogen hat und die Opernaufführung beginnt, bricht das Publikum in Beifall aus und ein von seinem Erfolg berauschter F hört der Musik zu – die Katharsis des obsessiven Rausches, der sein Handeln prägte; eine emotionale Entladung. Die rein orchestrale Musik ohne zugehörigen Text transzendiert das Geschehen – wie bei so vielen Filmen (Die Endszene des unterschätzten „Margaret“ sei beispielsweise genannt).
Eine explizite Hinwendung an eine bestimmte Religion oder Glaubensform findet nicht statt.
Bei Titanic ist die Musikauswahl historisch gesichert; doch diente es hier einer Selbstvergewisserung der europäischen Gläubigen, während F am Ende doch allenfalls den humanistischen Universalismus verkündigt, sofern im Motto „ars gratia ars“ (Kunst um der Kunst wegen) überhaupt etwas anderes als die Bedeutsamkeit der Kunst steckt.
Ob es eine künstliche Aktion war oder eine Demonstration des schlichtweg Menschlichen ist jetzt egal.
Stolz steht er hier da, mit der Zigarre in der Hand, seine fahrende Oper und noch wichtiger – sein Moment!
Bibbernd dort, den Tod mehr und mehr vor und schließlich in den Augen. Ein letzter Gedanke. Schwarzschnitt.
Der Rest ist nur Kulisse. Hier und dort.
Doch was geschieht und fühlt man, wenn der Moment des wahren Erfolgs ausgekostet ist?
Wer zuletzt triumphiert, triumphiert zumindest (Schlussgedanke)
„Im Augenblick des Triumphs glaubt man, sein Ziel erreicht zu haben – aber auf den Triumph folgt tiefe Niedergeschlagenheit, weil man erkennen muss, dass sich im eigenen Inneren nichts geändert hat.“
Erich Fromm: Haben oder Sein, S. 145
Die Frage nach der Niedergeschlagenheit wird auf der Titanic durch den Opfertod vermieden.
Ganz im Gegenteil. Für Rose gilt: Das Leben geht weiter. Böse gesprochen: Arm wird ärmer und reich bleibt reich!
Wäre Jack weiterhin genauso glücklich, wenn er alle Arme und Beine für seine Liebe verloren hätte, als ein letztes Mal loszulassen? Sich ein letztes Mal zu verdrücken?
Freilich liegt hier aber kein „feiger Opfertod“ vor, wie ihn allemal der Fischer für seine Frau begangen hätte, damit sie endlich Ruhe gibt.
Das Drehbuch sieht eine minimalistische und einengende Szenerie vor, die nur zwei Möglichkeiten mit feststehendem Ergebnis zulässt. Lebt die Frau, stirbt der Mann. Stirbt die Frau, lebt der Mann.
Außerdem bleibt die tragische Leidenschaft aus „Romeo und Julia“ zu vermissen. Könnte man diese auch noch als Geringschätzung des männlichen Opfers ansehen. Die Frau muss leben, damit der Tod des Mannes einen Sinn ergibt. Und so pustet Rose ihren verbleibenden Atem in eine Trillerpfeife anstatt letzte Liebesschwüre zwischen Ozean und Nachthimmel zu verkünden.
Das Drehbuch beantwortet die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Opfers mit einem laut schallenden „JA“. Rose Dawson hat sich nach einem erfüllten Leben zu einer statthaften älteren Dame entwickelt, die noch eine gewisse Lebensfreude versprüht.
Welcher Mann würde für solch eine Frau sterben?
Verblasst die Selbstproklamation als König gegen dieses Opfer?
Jack kehrt im Film noch einmal zurück an das Bug. Mit Rose, die er vor sich stellt. Der Wind weht ihr durchs Haar. Vor ihr eine strahlende Zukunft und hinter hier eine starke Schulter. Hier ist sie es, die triumphiert. Doch der Spaß – die Abgrenzung zu ihrem bisherigem Leben – hält an und an. Bis alles zerbricht. Und übrig bleibt nur die Erinnerung.
Bei F. bleibt die Frage unbeantwortet, ob sich etwas geändert hat. Die Bilder sprechen für oder auch gegen sich.
Ist die Einfahrt Fs Triumph oder Wahnsinn? Und war es das wert?
F. fordert uns heraus, weil wir wissen, dass wir zu so manchem, das wir vor uns herschieben, fähig sind, wenn wir es nur (glauben) wollen.
Die Frage lautet: Warum sollten wir soweit gehen? Diese Frage kann nur im Herzen jedes Einzelnen beantwortet werden, in dem sich am Ende vielleicht doch mehr findet als Trägheit. Man muss eben manchmal nur ein Schiff über den Berg ziehen, um dies zu erkennen.
Jack hingegen hat sich stets nur opportunistisch von seinen Umständen leiten lassen und nach und nach jede Entscheidungsfreiheit eingebüßt, in der Vorstellung oder dem Wahn, alternativlos zu handeln.
Und leise lacht Don Quichotte. Über beide.
Und selbst wenn man aufhört, über die beiden Charaktere nachzudenken; die Bilder bleiben.
In „Cobra Verde“ wird Kinski als titelgebender Antiheld noch einmal versuchen, ein Schiff zu ziehen, als er am Ende seiner Reise nach der Verbannung und des Comebacks, sowie der endgültigen Niederlage nichts will, als weiter zu fliehen.
Diesmal ist es nur wenige Meter vom Wasser entfernt, aber der Einbaum bewegt sich nicht. Der letzte Triumph ist ihm diesmal versperrt. Der König bleibt endgültig ungekrönt. Cobra Verde treibt bald leblos im Wasser. Als Mahnmal, das uns stört und über welches wir uns ein anderes Mal wundern können.
Gute Kunst muss stören, aber nicht alles, was stört, ist Kunst.
Und über alles, was zwischen diesen Sentenzen liegt, ist kein Ende des Bücherschreibens.
Disclaimer: Der Abschnitt „zur Musik „Rausch“ ist unter geringer Zuhilfenahme von ChatGPT entstanden. Eine Wundermaschine ist es nicht.
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HALUNKE – Autor
Halunke lädt zum Mittagstee 🍵 in der staubigen Wüste der Medienlandschaft. So oft er seinen abgelegenen und etwas baufälligen Saloon eröffnet, hofft er immer auf ein paar Gleichgesinnte, um mit Humor, Wissen und vielleicht sogar etwas Weisheit auf glorreiche Streifzüge zu gehen. Die Essays haben dabei keinen Anspruch auf absolute Kugelsicherheit. Und werden auch nicht in einem mittäglichem Duell mit dem eigenem Leben verteidigt. Im Zentrum stehen dabei Werkvergleiche, Einordnung in den Genre-/Gesellschaftskontext, philosophische Spitzfindigkeiten oder was sich sonst so zusammenbraut. Er hat sonst bisher bei einer Seite, die hier nicht genannt werden soll, mal kürzere und längere Kommentare zu Filmen & Serien und später auch zu Büchern und Comics geschrieben.
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4 Kommentare
Wusste ich es doch, dass an „Fitzcaralldo“ etwas nicht stimmen kann, aber ich war mir nicht sicher. Es wird „Fritzcarraldo“ geschrieben als mit einem „l“ und zwei „r“. Im Text wechselt es sich von falsch zu richtig ab mit „Fitzcarraldo“. Das tut der Qualität deines Artikels keinen Abbruch, es ist eher eine Nebensache, vielleicht zieht es sogar die Aufmerksamkeit an sich für pedantische Orthographologen.
Die Idee beide Werke miteinander zu vergleichen ist eine zutiefst menschlische Idee, weil sie von Humor geprägt ist. Würde man aber ChatGPT beauftragen beide zu vergleichen, dann fände er so manches, was du geschrieben hast, jedenfalls im ersten Teil des Textes. ChatGPT findet selbst bei Spargel und Radioweckern Gemeinsamkeiten, aber geistreiche Witze fallen ihm nicht von selbst ein.
Für die Mühe einen langen Text zu schreiben, muss man sich bei nicht bedanken, denn es macht dir keine Mühe und ob er lang ist, das mag auch relativ sein.
Unterwegs habe ich etwa die Hälfte durchgelesen, wobei mir tief in Erinnerung blieb, ob man sich nicht wünscht entweder Rose oder Jack zu sein. Ich möchte beides nicht gewesen sein, denn Freiheit hatten sie nicht. Auch der Klassenunterschied bei Rose führt dazu, dass sie als Frau mit wenig Rechten ausgestattet ist. Ein wichtiger Aspekt der Liebe zwischen den Beiden ist der Klassenunterschied. Aber es wäre nicht erste Film, der dies Vehikel nutzt, um eine eigentlich „unmögliche Liebe“ aufzuzeigen. Das lässt dann wiederum an ein Werk von Shakespear denken, bei dem ein paar wegen unmöglicher Liebe gemeinsam starb. Das Drama von „Titanic“ ist also schon eine Kopie eines Meisterwerkes. Und es ist eine Kopie, die selbst in die Geschicht eingegangen ist, wie „Romeo und Julia“. Emotional wird hier was geboten und warum sollte so eine Geschichte nicht im 20. Jahrhundert erneut die Menschen erfreuen. „Romeo und Julia“ ist aber doch selbst ein massenkompatibles Phänomen schon zu Zeiten Shakespears gewesen.
Genial finde ich eine Bemerkung bezüglich „Fitzcarraldo“. Es ist nicht die Syssiphos-Allegorie, wenn sie das Schiff über den Berg ziehen, es ist das metafiktionale Element, wo Fiktion und Realität miteinander verbunden werden: Nicht nur Fitzcarraldo will das Schiff über den Berg hiefen, sondern auch Herzog und Kinskis. Es muss für den Film geschafft werden, es muss für die Erzählung geschafft werden. Alles sieht danach aus, als hätte man vorher nicht gewusst was man vorhat und jetzt wollte man nicht aufgeben. So sind die Produktionsbedingungen genauso schwer wie das was man erzählt. Gleich hat man noch „Aguirre“ dort gedreht. Den liebe ich noch mehr. Es war nicht weniger wahnsinnig diese Filme unter diesen Umständen zu produzieren. Deshalb ist der Dokumentarfilm über die Produktion beinahe spannender als der Film selbst.
Du hast Recht „Apokalypse Now“ hat das gleiche Erzählmuster wie „Fitzcarraldo“, aber auch wie „Aguirre“ und ich meine den Prototyp von Joseph Conrad „Herz der Finsternis“. Da bin ich immer gern dabei. Übrigens hat das gleiche Erzählmuster auch der Film „Die Schlafkrankheit“. Letzterer ist ein Film über Entwicklungshilfe, aber nicht also Doku sondern als Version von vorgenannten Beispiel den Erzählmusters von „Herz der Finsternis“. Der Protagonist, ein Arzt von „Ärzte ohne Grenzen“ erfährt ebenso seinen Sissyphos Moment und lernt die Finsternis der Entwicklungshilfe kennen. Die Inhalte sind nicht ausgedacht, auch wenn die Personen fiktiv sind. Es ist reichlich desillusionierend.
„Der Grund des Verliebens wird in Hollywoodfilmen mit romantischen Elementen nie richtig erklärt.“
Verliebt sind zwei Junge Menschen Anfang 20 schnell, was braucht es da eine Erklärung. Erinner dich an deine erste Liebe, ich denke da war auch nicht mehr. Wir sprechen hier über „Verlieben“ und nicht „Liebe“. Man mag es als unwichtig ansehen oder sich selbst als schon zu reif dafür sehen, einfach verknallt zu sein, aber ich glaube nicht, dass selbst anspruchsvolle Weltliteratur hier wesentlich besser abschneidet ohne unnatürlich zu sein. Ich stelle immer wieder fest, wie geringschätzend doch auf die jugendliche Liebe geschaut wird. Manches davon lohnt sich zu bewahren.
„Frauen und Kinder zuerst“
Es ist wichtig, dass es gezeigt wird, wie es einmal war bzw. muss man sich die Frage stellen: Sollte das heute immer noch so sein?
ich glaube aber nicht, dass das Massenpublikum das reflektiert.
Meine Meinung ist: Sterben ist für alle gleich schlimm. Am Ende war es für Rose ja noch viel schlimmer zu leben. Wenn eine Frau schon die Schmerzen der Geburt aushält, muss dann der Mann dran glauben, wenn man es von ihm verlangt, quasi als Ausgleich? Oder geht es darum, dass die Frau als Spielzeug und Gebärmaschine überleben muss. Und Kinder, die haben ja noch so wenig erlebt. Sterben sie früher, wissen sie aber auch nicht was sie verpasst haben. Im Tod ist das sowieso egal. Warum also „Frauen und Kinder zuerst“? Weil Männer mutiger in den Tod gehen können als Frauen oder Kinder? Das halte ich für einen Schmarren.
Was unterscheidet Jack, den Abenteurer von Fitzcarraldo dem Abenteurer. Letzter könnte auf das Abenteurer verzichten. Jack hingegen such sein Heil im Auswandern, denn in Europa wäre er wohl ein hunriger Knecht ohne Rechte auf eine Landgut. Bei dem Abenteuer in der neuen Welt anzukommen und unterzukommen sind eben viele – nicht nur auf Schiffen – umgekommen. Es war quasi ein Drangsal.
Während Jack kämpft um seine Existenzbedürfnisse zu erfüllen ist Fitzcarraldos Kampf einer um ein Kulturbedürfnis. Er ist nicht ein Habenichts, das klingt mir irgendwie als wäre es mutwillig selbstverschuldet), er ist Rechts- und Besitzloser, egal wie talentiert und intelligent er ist. Ob er als Maler berühmt und wohlhabend geworden wäre, jedenfalls war es ein Talent, das mangels familiären finanziellen Rückhalt zu dieser Zeit – lebend – fast zum Scheitern verurteilt war.
„Welcher Mann würde für solch eine Frau sterben?“
Halunke, würdest du für deinen Partner sterben?
Sagen wir, du bist 15 Jahre mit ihm verheiratet und liebst ihn wie am ersten Tag, du müsstest wählen, zwischen dir und ihm?
Vielen Dank für dein Feedback.
Ah, das mit den Vertippern ist immer ärgerlich. Deswegen hatte ich den Namen dann auch abgekürzt. Den guten Don habe ich dann auch noch falsch geschrieben – Tja.
Zu „GPT“: Auf den Gedanken, dass auch der Kapitän der Titanic dem Wahn verfallen ist, hat mich erst der BOT gestoßen. Ich vergleiche gerne Werke miteinander. Da kann GPT dann schon hilfreich sein, wenngleich es aber ein Werkzeug bleibt. Ich habe ihn neulich auch eine Anfrage an einen Verlag schreiben lassen, ob ein bestimmtes Buch auf deutsch erscheinen wird. Für solche Standardtexte, die keiner Kreatitivität bedürfen, wird GPT übernehmen. Aber das geht prinzipiell über Formblätter nicht hinaus. Und nur weil es Formblätter gibt, ist die Bürokratie ja auch nicht zurückgegangen. Ganz im Gegenteil. In der Verwaltung ist ohnehin schon vieles standardisiert.
Zum Verlieben: Meist kann man eben das, was einem selber nicht widerfahren ist, weniger nachvollziehen. Verknallt war ich nie.
zu „Frauen und Kinder“: Interessanterweise bricht Otto in seiner Titanic-Persiflage „Otto – Der Katastrophenfilm“ diese Trope, indem er blödelesweise „Frauen und Ottis zuerst“ skandiert, während sich die Kapitäne mit dem Schlauchboot davon gemacht, welches dann durch die nicht mehr zu entschärfende Bombe, mittels Großvaters Hosenträger untergeht,
Man kann es auch mit dem Militärdienst vergleichen. Aus irgendeinem jüdischen Text habe ich dort die Meinung entdeckt, dass die Person, die das Leben gebiert, es nicht zerstören sollte.
Radikaler Feminismus müsste auch hier das Patriarchat wittern.
Zu „Habenichts Jack Dawson“: Nein, es war nicht abwertend gemeint. Jack ist eben noch jung und voller mutigen Tatendrang; daran ist nichts Verwerfliches. In diesem Punkt könnte man eher Fitz vorwerfen, dass er seinen jugendlichen Leichtsinn nie überwunden hat.
Die beiden befinden sich biographisch an unterschiedlichen Stellen in ihrem Leben.
Zu „Sterben für den Partner“: Die Frage ist mir aufgrund meiner Biographie und aktuellen Lebensumstände zu abstrakt. Im Text wollte ich nur darauf hinweisen, dass es eben auch den feigen Opfertod gibt, der aus Minderwertigkeit vollzogen wird.
Herzog hatte Kinski fest im Griff. Deswegen haben die Beiden auch solch klasse Werke geschaffen, wo Kinski auch zeigen konnte, was in ihm steckt.
Ja, die Doku „Mein liebster Feind“ ist dazu auch sehr sehenswert!
Unvergesslich bleibt due Anektode, dass due Kompatsen der Ureinwohner Herzog fragten, ob sie Kinski umbringen sollten 😉